Unterteilung des Mittelalters
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Eintrag #1 vom 16. Okt. 2010 22:03 Uhr
Dr. Nicole Schneider
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…da ein älterer Thread zu dem Thema nicht auffindbar ist, hier die zusammengefasste Übersetzung zum Thema vom Chefredakteur der "Histoires et images medievales", Frederic Wittner (Ausgabe Oktober/November 2010):
"Muss die Einteilung des Mittelalters in Perioden überdacht werden?…[…]…Die Archäologen schlagen uns eine neue Einteilung vor, die einer ersten Periode des Mittelalters, vom 5. bis 11. Jhdt, Mittelalter der demographischen Ausdehnung, der landwirtschaftlichen Entwicklung einer zweiten Periode des Mittelalters, vom 12. bis 16. Jhdt, mit erheblicher Entwicklung des städtischen Umfeldes, mit neuen Formen der Aktivität, den Vorläufern der Industrie gegenüberstellt. Alles scheint gegen die Idee eines vorübergehenden "mittleren Alters" zu sprechen, in dem Mentalität und Technik, Struktur und Wissen still stehen, wenn nicht sogar rückschrittlich sind …[…]."
Also, die übliche Dreiteilung des Mittelalters in Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spätmittelalter an sich wird nicht verändert (keine Verschiebung des Beginns von Hochmittelalter oder Spätmittelalter, im Gegensatz zu dem, was man schon mal hört).
Als Neuerung wird eine Zweiteilung vorgeschlagen, in eine erste Periode (oder meinetwegen das "frühe Mittelalter") und eine zweit Periode (quasi "spätes Mittelalter").
Begründet wird dies unter anderem mit dem Beginn des romanischen Baustils. Für die entsprechenden Baustellen wurden quasi industriell bestimmte Teile im Gerüstbau, aber auch Bauteile an sich, vorgefertigt.
MfG
Nicole
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Eintrag #2 vom 17. Okt. 2010 09:22 Uhr
Patrick
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Wer sind denn "Die Archäologen"? Jedes Land besitzt eigene Periodeneinteilungen, und auch innerhalb eines Landes gibt es nicht immer Einigkeit unter den Archäologen, welches Gliederungssystem das sinnvollste ist. Die Geschichte ist einfach zu komplex, um ein einfaches Raster darüberlegen zu können. Letztendlich kommt es immer auf den Blickwinkel und die Interessen des Forschers an, für welche Gliederung er sich entscheidet. Ich persönliche finde es jedenfalls gewagt, das 5. Jh. und das 11. Jh. in die selbe Periode zu stellen. Die Unterschiede sind schon sehr groß, da istg ja die ganze karolingische Reichsbildung dazwischen.
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Eintrag #3 vom 17. Okt. 2010 11:03 Uhr
Sebastian Ernst
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das problem existiert ja schon ne weile und die diskussion auch…periodisierungen sind ja so nötig wie unsinnig…
relativ neu ist dabei nur, dass die diskussion mal von mediävisten geführt wird, die ja in der regel geschichtsphilosophisch auch eher konservativ sind…
neben den überlegungen innerhlab des mittelalters neuorientierungen vorzunehmen gibt bereits schon komplette alternativmodelle wie das modell "alteuropa", dass die zeit 1000/1200-1800 umfassen soll oder modelle wie die der sattelzeiten, also großzügig ausgelegter übergangsperioden zwischen den traditionellen epochen,,,
die sind ja zudem auch schon wirklich ziemlich alt, die dreiteilung stammt ja noch aus der mitte des 17. jh., die einführung der Frühen Neuzeit als eigenständige epoche hat die diskussion dann erstmals so richtig ins rollen gebracht…
ich denke aber, es wird noch ne weile dauern, bis sich die traditionelle vierteilung der geschichte, bzw. auch die dreiteilung der mittelalterlichen geschichte verändert wird…der vorschlag wird mal wieder die diskussion um epochengrenzen kurz aufleben lassen und dann wirds wieder abebben, da man sich eh nicht einigen können wird…je nach perspektive und geschichtsphilosophie teilen die meisten eh recht "willkürlich" ein…
und wie in dem artikel schon steht, sehen hier einige archäologen handlungsbedarf, was aber wieder an deren fokus liegt und von kulturhistorikern, wirtschaftshistorikern, sozialhistorikern, usw. sicherlich anders gesehen wird…alternativmodelle gabs ja wie gesagt auch aus der historikerecke genügend
"Begründet wird dies unter anderem mit dem Beginn des romanischen Baustils. Für die entsprechenden Baustellen wurden quasi industriell bestimmte Teile im Gerüstbau, aber auch Bauteile an sich, vorgefertigt."
-also ne technikgeschichtliche ausrichtung…wird wohl die wenigsten historiker überzeugen denke ich…
die räumliche dimension wird zudem anscheinend wieder gar nicht bedacht…und wenn ich dann an solche schlagwörter wie "die gleichzeitigkeit des ungleichzeitigen" denke, dann kommt mir auch da wieder die zumindest partielle unhaltbarkeit jeder periodisierung in den kopf…
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Eintrag #4 vom 17. Okt. 2010 11:21 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Das Konzept Alteuropa das sich auf den östereichischen Historiker Otto Brunner bezieht, umfasst die Zeit von den ersten schriftlichen Zeugnissen der Griechen um 7. jahrhundert vo Chr. bis zur französischen Revolution, nicht nur die Zeit von 1000 bis 1800.
Als verbindende Elemente nennt Brunner die ständische Agrargesellschaft und eine philosophische tradition von Plato bis Kant.
Da bei uns an der Uni diese Periodisierung benutzt wird habe ich mich damit entsprechend auseinandersetzen müssen. Ich mag die Einteilung wegen der Betonung von Zusammenhängen, wobei innerhalb dieser Periodisierung die alten Begriffe durchaus weiterverwendet werden, da diese ja auch nicht einfach aus der Luft gegriffen wurden. Ihre strenge Abgrenzung wird dadurch, das sie nur noch zweitrangig verwendet werden, weniger vorrangig.
Schöne Grüße
Andrej
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Eintrag #5 vom 17. Okt. 2010 11:33 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Wie üblich merkt man immer zu spät das man noch was editieren müsste.
Ich habe die Alteuropa-Version nach Gerhard nicht berücksichtigt, die eine Zeit von grob 1200 bis 1800 umfasst. Ich wollte im letzten beitrag diese auch nicht als falsch bezeichnen sondern herausstellen das in der Praxis eher die nach Brunner verwendet wird.
Schöne Grüße
Andrej
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Eintrag #6 vom 17. Okt. 2010 11:53 Uhr
Sebastian Ernst
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auf die von gerhard hatte ich mich auch bezogen…
welches von beiden konzepten in der praxis verwendet wird, ist unterschiedlich, so ist mir die von brunner in der praxis bisher eher wenig begegnet…
sie ist halt stärker ideengeschichtlich geprägt, was viele andere historiker so nicht mitmachen…
wie gesagt, ein kulturhistoriker setzt tendentiell anderen grenzen als ein agrarhistoriker oder jemand der ideengeschichtlich orientiert ist…
aber wie man sieht, theoretisch sind die alten grenzen ziemlich durch alternativkonzepte aufgeweicht…welche einteilung man benutzt hängt von der eigenen ausrichtung und der begründung ab…möglich, also begründbar, wie auch unsinnig sind alle…
aber das problem ist da, von daher ist es schon wichtig, sich darüber auszutauchen…wobei man nie vergessen darf, dass viele diskussionen auch forciert sind…es geht darum neues zu präsentieren, um forschungsgelder, usw…
kategorisierung zur besseren verständlichkeit und aufarbeitung vs. vorstellung von grenzen wo keine sind…
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Eintrag #7 vom 17. Okt. 2010 12:10 Uhr
Patrick
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Die Bewertung solcher Versuche hängt auch damit zusammen, ob man eine Periodisierung als Mittel zum Zweck oder als tatsächlich existierte Einheiten sieht. Eine Periode, die von 1000 v. Chr. bis 1800 n. Chr. andauert finde ich zum Beispiel nicht sehr nützlich, außer, wenn man bestimmte durchlaufende Elemente betonen will.
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