Thema als Feed (RSS 2.0) Thema als Feed (ATOM 1.0) Verschluss Frauenkleid ca. 1360

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Eintrag #1 vom 06. Jun. 2015 15:03 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Hallo allerseits!
Ich habe gestern damit angefangen mich an den Schnitt für ein Frauenkleid ca. 1360 (+/-10 Jahre) in Süddeutschland zu wagen. In den Manuskripten dieser Zeit (z.B. Regensburger Weltchronik, MS M. 769) sind die Kleider eng, aber meistens ohne Verschluss dargestellt und genau da beginnt mein Dilemma:
Meine Taille ist recht schmal, wenn ich also das Kleid dort den Abbildungen entsprechend eng mache, habe ich keine Chance das jemals wieder über die Schultern zu bekommen.
Die Frage ist also:
1. Sind die Kleider auf den Abbildungen idealisiert dargestellt und waren in Wirklichkeit gar nicht SO eng?
2. Oder wurden eventuell verwendete Verschlüsse nur nicht mit abgebildet, weil zu dieser Zeit die Buchmalerei noch nicht so detailliert war wie später?
3. Falls Verschlüsse verwendet wurden, welche?
• Knöpfe: Konnte ich auf Abbildungen und an Grabmälern nur sehr selten finden. Bei Männern sieht man sie deutlich öfter, bei Frauen nur vereinzelt und eher am Surcote, nicht am Kleid darunter. Bei den erhaltenen Kleidungsstücken sind sie am Kleid aus dem Moy Bog nachweisbar, allerdings ist da die Datierung sehr vage und die Geschlechtszuweisung auch nicht eindeutig.
• Frontschnürung: Noch seltener abgebildet und eher später. Früheste deutsche Darstellung, die ich finden konnte, am Grabmal der Margareta von Rieneck (Stiftskirche Wertheim, ca. 1364).
• einfache Haken und Ösen (nicht die aufwändigen, wie z.B. im Pritzwalker Silberfund): Im Fundgut vorhanden, aber nicht eindeutig datierbar (?). Auf Abbildungen erst Anfang 15. Jahrhundert.
Vom persönlichen Geschmack her, würde ich Knöpfe (aus Stoff) bevorzugen, aber danach sollte man ja nicht gehen und die Belege dafür sind doch nicht gerade zahlreich. Für Schnürungen bin ich wahrscheinlich zu früh angesiedelt und Haken und Ösen lassen sich auch nicht belegen.
Je mehr ich recherchiere, desto unsicherer und verzweifelter werde ich :(.
Bevor ich mit dem Schnitt angefangen habe, hatte ich gehofft, dass es vielleicht doch ohne Verschluss klappt, aber dann muss ich es ziemlich weit machen und es kommt überhaupt nicht mehr an die Abbildungen ran.
Hat jemand Vorschläge, Anregungen, Ideen, Kritik an meinem bisherigen Vorgehen? Ich bin für alles dankbar :).
Liebe Grüße
Christina

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Eintrag #2 vom 08. Jun. 2015 12:10 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Hallo Christina,
Im Grunde ist die einzig richtige Antwort: man weiß es nicht.
Länger ausgedrückt, ist es halt so: Dort, wo man keinen Verschluss sieht, weiß man es nicht. Mut zur Lücke; das betreffende Bild/Statue taugt dann halt nicht als Vorlage, sonst muss man spekulieren. Grundsätzlich ist erstmal die Körperform in Bildquellen der Zeit nicht idealisiert, dazu gibt es zu viele Textquellen und teils auch Originale, die einen darüber lehren, wie beides einander entspricht. Dass Verschlüsse mal weggelassen wurden, kam/kommt vor, hat aber weniger was mit Detaillreichtum denn mit Absicht (Quellkritik!) zu tun: ggfs. der Versuch, eine Person schlicht (im Sinne von: zurückhaltend, tugendhaft) darzustellen. Praktisch gesehen kann es eine rückwärtige Schnürung sein, aber sic!: spekulativ.
Mein persönlicher Rat wäre, mich dann an Quellen zu halten, die vollständigen Aufschluss über die Konstruktion geben, und die, bei denen man spekluerein muss, zu meide, egal wie regional. Nutzt ja alles nix.
Aber zu Schnürungen: guck dir mal Nürnberger Statuen an. Da hats schnürungen verschiedener Art bereits (->Frauenkirche z.B.).

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Eintrag #3 vom 08. Jun. 2015 17:47 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Hallo Jens,
erst mal vielen Dank für die Antwort.
Komplizierte Angelegenheit. Das mit den nicht abgebildeten Verschlüssen ist aber ja eher die Regel als die Ausnahme und ich habe mich wirklich durch den Großteil der digitalisierten Manuskripte und Bilddatenbanken gewühlt. Da glaube ich nicht, dass die Frauen alle als schlicht dargestellt werden sollten, ist aber eben auch nur Spekulation.
Gut, dass du die Frauenkirche erwähnst. Ich habe vor einiger Zeit dieses Foto (wwwartandarchitecture.org.uk/images/[…]/5675e230.h[…]) gefunden, allerdings nur die ungefähre Datierung der Nordseite (an der es sich befindet) auf die 2. Hälfte des 14. Jh. Die gute Frau scheint inzwischen auch restauriert worden zu sein (upload.wikimedia.org/[…]/Frauenkirche_Nürnberg_01[…]?[…]), weshalb ich gar nicht mehr weiß, wohin damit. Im ursprünglichen Zustand hätte ich den Wulst auf der Schulter als Rest eines Kruselers interpretiert, die Restauration trägt aber diese seltsame "Wulsthaube", die ja erst nach meinem Darstellungszeitraum in Mode kam. Ich wüsste ja zu gern, wie die Restauratoren auf diese Kopfbedeckungen gekommen sind… Lag der Kopf noch irgendwo rum oder ist das anhand der Mode der Zeit interpretiert? Letzteres würde ja darauf hindeuten, dass die Statue nach meinem Darstellungszeitraum entstanden ist.
Gibt es an der Frauenkirche noch weitere Statuen mit erkennbarem Verschluss? Alles was ich bisher gefunden habe (unter anderem hier: commons.wikimedia.org/[…]/Category:Frauenkirche,_N[…]?[…] , hier commons.wikimedia.org/[…]/Category:Porch_of_Frauen[…]?[…] und hier objektkatalog.gnm.de/[…]/mode=recherche&keyword=&s[…]) fällt entweder in die Kategorie eng ohne erkennbaren Verschluss, weit oder (total hilfreich) nackt. Bei den Männern kann man vereinzelt Schnürungen und Knöpfe erkennen.
Oh mann, die Entscheidung ist echt nicht einfach. Ich ändere gefühlt alle 5 Minuten meine Meinung… Knöpfe… Schnürung… Hinschmeißen und GroMi machen (Wär ja zu einfach)…

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Eintrag #4 vom 09. Jun. 2015 11:16 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Diese Figur wird um 1360 datiert, ist aber vermutlich analog des Chores 1378. Sie war vermutlich ursprünglich an anderer Stelle montiert. Die Haube war/ist so original, d.h. die Wülste sahen vorher schon so aus, haben aber mit der Wulsthaube des späten 15ten nix zu tuin. Ich vermute, das ist ein mehrfach gelegter Kruselerrand, der im Laufe der Jahrhunderte verschliffen.
Bei Facebook habe ich mehrere Bilder reingestellt, z.B.: https://[…]/74687_514885135201642_1570578591_n.jpg?[…]
Statuen: Ich weiß es nicht sicher auswändig, da ich derzeit keinen Zugriff auf meine Bidlersammluing habe, aber beim Tor der Frauenkirche und bei Statuen der Selbadskirche müssten Schnürungen und Knöpfe zu sehen sein.
Jungfrauen (die tugendhaften) und Maria sind immer schlechte Quellen, die sind eher altmodisch/keusch dargestellt, die körperbetontheit da erreicht man aber auch durch ein entsprechend geschnittenes Schlupfkleid.
Aber ja: Knöpfe insbesondere sind in der Szene überstrapaziert. Vermutlich auch, weil gern auf hohe und englische und franz. Vorlagen geguckt wird.
Haken und Ösen (die aus Draht) sind aber keine Sache des 15ten, da gibt es auch Funde aus dem 14ten (u.a. aus Nürnberg, soweit ich mich erinnere, von der Burg).

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Eintrag #5 vom 10. Jun. 2015 00:02 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Danke für das Foto. Meine erste Vermutung war ja auch, dass die Statue einen Kruseler trägt, mich hat dann nur verwirrt, dass der Wulst auf dem Kopf soweit hinten ist. Bei den anderen Darstellungen dieser Art von Kruseler sitzen sie weiter vorne.
Die Datierung passt aber zu meinem bisherigen Eindruck: Auf Abbildungen kommen Schnürungen zwischen 1360 und 1370 auf, also eher ganz am Ende meines Darstellungszeitraums :(
Ich habe nochmal Fotos der Nürnberger Kirchen (v.a. Frauenkirche und St. Sebald) angesehen und mit ganz viel gutem Willen und Fantasie erkenne ich an 2-3 Statuen Knöpfe, aber an keiner Schnürungen. Das kann aber natürlich an der schlechten Auflösung und ungünstigen Blickwinkeln liegen. Schade, dass ich gerade 6 Stunden Zugfahrt von Nürnberg weg bin, sonst hätte ich mir das mal persönlich angeschaut.
Vielleicht stelle ich mich beim Schnitt auch einfach nur zu blöd an… Nur um sicher zu gehen, dass ich hier nicht viel Wind um Nichts mache und es eventuell doch ohne Verschluss möglich ist:
Kann man den Sitz eines Kleides wie bei der Dame hier links upload.wikimedia.org/[…]/Frauenkirche_Nürnberg_01[…] bzw. hier rechts upload.wikimedia.org/[…]/Frauenkirche_Nürnberg_01[…]
ohne Verschluss hinbekommen?
Ich bin halbwegs schlank aber trotzdem kurvig und bin schon nach dem ersten Abstecken mit gut Luft an allen zukünftigen Nähten nicht mehr aus meinem Probestoff raus gekommen. Meine Erfahrungen im Schneiderhandwerk beschränken sich aber auch auf… ähm Nichts, wenn man von einem einfach geschnittenen Unterkleid und Strümpfen absieht.
Zu den Haken und Ösen: Du hast nicht zufällig im Kopf, wo du die Info mit dem nürnberger Fund her hast? Generell wäre ich für Literaturhinweise sehr dankbar. Mich juckt’s in den Fingern in diese Richtung noch ein bisschen zu recherchieren. (Wie genau kann man solche kleinen Metallteile eigentlich datieren? An welchen Kleidungsstücken wurden sie verwendet? etc.)
Noch mal vielen Dank für deine Hilfe, Jens. Ich hoffe meine Fragerei nervt nicht ;)

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Eintrag #6 vom 10. Jun. 2015 11:50 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Jajein. Das Problem mit den von dir verlinkten Statuen ist, dass sie als Vorlage nur bedingt taugen, ob der dargestellten Personen, und weil so ziemlich alles verdeckt ist. Bei der zweiten sieht man grob die Taillierung, und auch den Brustbereich, der ist relativ flach (man sieht aber auch eine komische Wulst darunter). Im Grunde ist bei einem engen Schlupfkleidungsstück das Problem des Weitenunterschiedes Brustbereich- Taille; je enger die Taille, und je größer der Brustumfang, desto schwerer ist das ohne Verschluss hinzubekommen (das gilt auch für Männer, aber freilich umso mehr für Frauen). Das geht mit ausreichend dehnfähigem Tuch (Dehnung in der Faser, also eher Wolle, Dehnung in der Bindung, also Köper). Problem ist dann, dass eine stützende Funktion der Brust bei der Frau flachfällt (im wahrsten Sinen des Wortes), da keine plötzliche Umfangsverkleinerung unterhalb dieser erreicht werden kann- was zum Stützen notwendig wäre. Übrigens sieht man an dieser Stelle auch den Sinn stützender Unterkleidung, wie sie in Lengberg (hier aber fürs 15te) gefunden wurde, und auch in Quellen schon im 14ten erwähnt wird.
Modisch gesehen waren flache Brüste bei Frauen in der Zeit angestrebt- insofern ist es schlicht problematisch, bei anderer Figur sich an dem Modeideal entsprechenden Statuen der Zeit zu messen.
Übrigens sieht man beim ersten Bild bei der linken Dame charakterische Querfalten auf der Brust- eine sehr naturalistische Darstellung, genau diese entstehen durch den Zugverlauf am Stoff bei einem Schlupfkleid ohne fütternde Verstärkung, wenn es sehr eng sitzt; hier rutscht ein Teil des Stoffes unterhalb der Brust nach oben, dadurch entstehen die Falten.
Möglich sind in den Fällen aber auch seitliche Schnürungen, die würde man teils nicht sehen (würde ich aber für den Zeitrahmen als nicht typisch erachten).
Insgesamt ist die bei den Statuen dargestellte Mode recht züchtig und verhüllend- ich würde ggfs. von einem engeren Kleid mit Verschluss darunter ausgehen, und einem eng geschnittenen Schlupfkleid für darüber.
Haken und Ösen: ich weiß nicht, ob der überhaupt publiziert ist, evtl. im Buch von Claudia Frieser über Nürnberg. Gibt aber noch mehr Funde der Teile, aus dem Elsaß usw., die auch ins 14te datieren- allerdings sagt das ja nicht genau aus, wann ins 14te. Die genaue Datierung steht leider selten dabei, bzw. der Grund- das kann ob der Fundumstände (Zwischenverfüllung Hohlraum in einem Gebäude), Schichtenmodell, Holzdatierungen usw. passieren.
Und nein, du nervst nicht, im Gegenteil. Bin froh, wenn sich einer ernsthaft Gedanken macht, anstatt nur das nachzumachen, was andere Darsteller tragen, und versuchen, dem Look der Quellen nahezukommen, zumal Mitte 14tes :)

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Eintrag #7 vom 11. Jun. 2015 00:49 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

nach oben / Zur Übersicht Sitz: Ideal vs. Realität

Wow, soviel Input, Dankeschön :)
Die beiden Statuen habe ich als Beispiel hergenommen, weil ich dachte, dass Statuen detaillierter sind als Abbildungen in Manuskripten. In der Regensburger Weltchronik sehen die Frauen aber ähnlich aus (z.B. ica.themorgan.org/manuscript/page/47/143938 oder ica.themorgan.org/manuscript/page/147/143938).
Ich glaube langsam, ich bin komisch proportioniert. So groß ist mein Brustumfang gar nicht. Eine stützende Funktion müsste das Kleid auch nicht unbedingt haben, aber die Brüste der Damen werden meistens betont wenn nicht sogar leicht angehoben dargestellt. Diesen Effekt kriege ich mit einem Schlupfkleid nicht hin, da wird eher alles nach unten platt gedrückt oder das Kleid schlabbert rum.
Es wird also vermutlich darauf hinauslaufen, dass ich entweder mit einem nicht sonderlich gut belegbaren Verschluss arbeiten oder einen Kompromiss beim Sitz eingehen muss.
Eine Idee ist mir spontan noch gekommen: Wie plausibel wäre denn ein Viertelschnitt an einem Kleid ohne Verschluss? Dann könnte ich den Schnitt mit Verschluss planen und falls sich herausstellt, dass der Wollköper doch deutlich dehnbarer ist als der Probestoff, vorne einfach zunähen. Oder ist das totaler Blödsinn?
Haken und Ösen: Meinst du „Nürnberg – Archäologie und Kulturgeschichte“ oder „Zwei spätmittelalterliche Wirtshäuser in Nürnberg – Kleinfunde aus der Irrerstrasse“?
Dachte ich mir fast, dass die Datierung recht heikel ist.
Könnten die Striche, die manchmal an der Front gezeichnet werden (z.B. bei der Dame hier in rot ica.themorgan.org/manuscript/page/36/143938), ein Hinweis auf einen verdeckten Verschluss mit Haken und Ösen oder einer durch Metallringe gezogenen Schnürung sein? In der Regensburger Weltchronik sieht man die bei Männern öfters und in dieser hier von ca. 1370 daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/[…]/index.ht[…]?[…] auch bei einigen Frauen. Das würde dann dafür sprechen, dass diese Art Verschluss sich bei Frauen mal wieder erst später durchgesetzt hat (also am Ende meiner Darstellungszeit).
Gedanken mache ich mir generell eher zu viele als zu wenige - kann auf Dauer ganz schön frustrierend sein ;)

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Eintrag #8 vom 11. Jun. 2015 09:44 Uhr Thorsten (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Thorsten eine Nachricht zu schreiben.

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Jens hat ja schon ziemlich alles zur Quellenlage gesagt - ich habe da auch wenig Quellen für Verschlüsse. Wobei ich denke, dass mit etwas dehnbarer Wolle da schon das etwas körpernahere Schlupfkleid gebastelt werden kann. Hier hätte ich noch was für Knöpfe von ca. 1361 Köln oder Westfalen:
https://[…]/bebef78571e68698f05d41d8552ea475.jpg
Der Großteil der Abbildunge im Hörder Heilsspiegel https://[…]/hs-2505-speculum-humanae-salvationis zeigt aber bei den Damen keine Verschlüsse. Ich bin da bei Jens, dass in der Szene im 14. Jhdt. die Knöpfungen sich oft eher an französische oder englische Darstellungen - und dabei im allgemeinen der höhere Standard - orientieren und sie öfters "überstrapaziert" werden. ;)

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Eintrag #9 vom 11. Jun. 2015 10:45 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Wenn es so weitergeht, werden Leute diesen Thread in der Googlesuche angezeigt bekommen, obgleich sie gänzlich etwas anderes gesucht haben ;)
Also es ist schlicht so, dass wenn ein Kleid über der Brust zu eng anliegt, die Brüste halt plattgedrückt werden- da müsste die Dame schon unnatürliche Hilfen einsetzen, damit das nicht passiert. Daher ist es ratsam, das Kleid dort eng, aber nicht einengend zu schneidern, und die Nähte eher unterhalb der Linie, auf der die Brust enden soll, "einkurven" zu lassen. Je mehr Nähte, desto einfacher ist das freilich- bei rein seitlichen Nähten *muss* der Stoff gescheit dehnbar sein, weil sonst schlicht seitlich unschöne Beulen entstehen, weil das "zuviel" an Stoff nicht sich nach vorne dehnen kann. Ideal wären freilich Nähte über die Brustmitten- das kenn ich allerdings frühestens aus dem 15ten. Ohne Verschlüsse allerdings bekommt man keinen "Balkon", d.h. die Stoff flacht unterhalb der Brust ab, es gibt keie aprupte Verengung. Hat man verschlüsse, kann man allerdings auch mit Teilfütterungen arbeiten, d.h. unterhalb der Brust mit weniger dehnfähigem Stoff füttern, so dass der Torso unterhalb der Brust sehr eng anliegt, und die Brüste folglich aufliegen, das hat den Charakter eines Mieders oder Bustiers. Textquellen aus Frankreich legen nahe, dass so eine Praxis schon im 13ten(!) bekannt war, da wurde mit verschiedenen Stoffen, ja gar Auspolsterungen gearbeitet- Originale aber gar gibt es nicht. Spätestens im 15ten mit höherem Detailgrad der Bilder sieht man fast aufgesetzt wirkende Brustformen- d.h. das Kleid wölbt sich am brustbein nach innen. Ob das nun schlicht erotisierende Übertreibung ist oder die Kleider quasi eingesetzte "Körbchen" hatten (schneidertechnisch wäre das ein leichtes und die damals definitiv dazu fähig- man bedenke die Lengbergfunde)- keine Ahnung.
Bislang haben wir mit den gut belegbaren Mitteln (Stoffarten, Verschlüsse, Teilfütterungen) uns dem angenähert, alszu sehr experimentiert habe ich da mal lieber nicht.
Sowas wie stützende Unterwäsche wie in Lengberg brächte für die sichtbare Form unter dem Darüber maximal einen Vorteil, wenn dieses sehr dünn und dehnfähig ist.
"Wie plausibel wäre denn ein Viertelschnitt an einem Kleid ohne Verschluss?"
Siehe Herjolfsnes, es wurde gestückelt wie nötig. Und das sind Bauernkleider aus Grönland, die eher veraltete Mode immitierten. Sehe ich also kein Hindernisgrund.
Haken und Ösen: Ich glaube "Nürnberg – Archäologie und Kulturgeschichte", bin mir aber nicht sicher. Ist aber so oder so ein gutes Buch ;)
Rote Dame aus Weltchronik: Meines!) Erachtens ja. Verdeckte Schnürung oder Haken und Ösen. Aus Erfahrung weiß ich aber, das mit verdeckter Schnürung schließt nicht besonders gut Stoß auf Stoß. Ist zwar 15tes, aber ein Beispiel hätte ich hier: wwwdiu-minnezit.de/1475_kleid_angesetzter_rock.html Man sieht an den Vorlagen ebenfalls die Striche- an einigen Stellen auch, dass da offensichtlich ein verschluss ist. Ich würde fürs 14te das gleiche annehmen.

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Eintrag #10 vom 12. Jun. 2015 01:21 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Danke Thorsten, den Hörder Heilsspiegel kenne ich. Das rote Kleid auf dem von dir verlinkten Bild interpretiere ich als Surcote, aufgrund der gezaddelten Löffelärmel. Knopfleisten bis zum Boden an Surcotes sieht man gelegentlich mal, aber mir geht es momentan um das Kleid, das man darunter oder auch einzeln tragen kann und da schaut es dann mit Belegen für Knöpfe (oder generell Verschlüsse) mau aus. Das grüne Kleid versuche ich immer auszublenden, weil es ziemlich seltsam ist: seitliche Schnürungen(?) an einem Kleid mit Frontknöpfung? Wozu das denn?
Jens, meinst du, weil wir hier über Brüste diskutieren? ;)
Was du beschreibst ist genau mein Problem. Wenn ich es unter der Brust so eng mache, dass nichts mehr nach unten weggequetscht werden kann, komm’ ich nicht mehr rein. Mach’ ich es generell weiter, um das Gequetsche zu vermeiden, schlabbert alles rum und kommt gar nicht mehr an die Abbildungen ran.
Die Herjolfsneskleider sind aber ja nicht im Viertelschnitt geschnitten… Man müsste halt wissen, wie sich die Schnitte genau verändert haben: Schnitt mit durchgehender Vorder- und Rückenbahn -> Viertelschnitt ohne Verschluss (noch nicht so eng, dass der Balconette-BH Effekt erreicht werden konnte) -> Viertelschnitt mit Verschluss (mit der jeweiligen Mode entsprechenden Formgebung)? Eventuell wurde aber die Teilung der Vorderbahn auch gleich genutzt, um dort einen Verschluss einzubauen, Verschlussmöglichkeiten waren ja bekannt (siehe Männermode). Wo ist meine Zeitmaschine, wenn ich sie mal brauche?
“Nürnberg – Archäologie und Kulturgeschichte”: Ausgerechnet das ist im OPAC meiner Uni als vermisst verzeichnet. Sonst hätte ich da mal rein geschaut. Wollte eh, falls ich mal dazu komme, einen Blick in „Die hoch- und spätmittelalterlichen Bundmetallfunde nördlich der Alpen“ werfen, vielleicht bringt mich das bei der Haken/Ösen-Problematik weiter.
So, jetzt werd’ ich erst mal noch ‘ne Runde drüber schlafen und mir morgen über die vielen Anregungen Gedanken machen. Ich kann mich gar nicht genug, für die ganze Hilfe bedanken :)

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Eintrag #11 vom 12. Jun. 2015 09:55 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Viertelschnitt reicht. Herjolfsnes wird gerne als Beleg für die wahre Schneiderkunst im 14ten herangezogen, dabei ist das oft ob seiner vielen Keile zitierte ein relativ locker fallender Männerkittel(!!), und die Schnitte eher der mangelnden Erfahrung der Zuschneidenden, denn großartiger Anpassungskünste geschuldet. Ich habe inzwischen bestimmt 30 Kleider geschneidert, mit wechselnd engem Zuschnitt, mit oder ohne Verschluss, und kann definitiv sagen, dass diese zig-Keile Variante keinerlei wirklichen Vorteil gegenüber der aus 4 Teilen hat- so man die Keile nicht ahistorisch weit nach vorne zieht. Es ist natürlich eben was anderes, ob man ein stark gewalktes leinwandbindiges Wolltuch aus Streichgarn, oder einen feinen Kammgarnköper nimmt. Letzterer schmiegt sich so eng an den Körper, damit kann man vieles wettmachen. Insgesamt ist meine persönliche(!) Meinung ohnehin, dass in der Szene zu viel Kleidung nach Vorlagen höherer Schichten aus ziemlich derben Tuch nachgebastelt werden.

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Eintrag #12 vom 13. Jun. 2015 16:27 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Danke, dass du mich so von deinen Erfahrungen profitieren lässt :). Ich hatte eh mit dem Viertelschnitt geliebäugelt, also werde ich es jetzt damit versuchen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt und vielleicht funktioniert es mit dem Wollköper dann doch ohne Verschluss. Ich habe mich nur nicht gleich an den Wollköper gewagt, weil mir die Gefahr, dass ich ihn aus Mangel an Erfahrung verschneide, zu groß war.
Wie würdest du denn "derbes Tuch" definieren? Mein Wollköper wiegt 250 g/m² und hat ca. 18 Fäden pro cm, was ich als relativ fein einstufen würde, aus Kammgarn ist er aber nicht.
Wenn ich etwas sicherer bin, was Zuschnitt und Nähen angeht, wollte ich auf die Stoffe von Naturtuche, bzw. sobald es der Geldbeutel zulässt, auf die pflanzengefärbten Wollköper von färbehof (wwwwolle-stoffe-seide-pflanzengefaerbt.de/[…]/shop[…]) oder dem Bockschen Handwerksladen (wwwbockscher-handwerksladen.com/epages/es10589673.sf/[…][…]?[…]) umsteigen, wären die fein genug?
Tuche, die ansatzweise an die veredelten Tuche von damals (Stichwort: Broadcloth) herankommen, kriegt man heute ja leider eh nicht mehr :(

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Eintrag #13 vom 18. Jun. 2015 18:40 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

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Mag komisch klingen, aber versuchs mal damit: wenn Du dir in dem Tuch keine Person eines Jane Austin Filmes vorstellen kannst, weil es zu derb wäre, dann isses zu derb ;)

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Eintrag #14 vom 18. Jun. 2015 21:56 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

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Das würde jetzt leider voraussetzen, dass ich jemals einen Jane Austin Film gesehen hätte. Habe ich nicht… Ich verstehe aber glaube ich worauf du hinaus willst. Ein konkretes Beispiel für zu derben Stoff würde mich aber trotzdem interessieren.
Ich habe nochmal meine Literatur herangezogen: Sowohl in Textiles and Clothing (Crowfoot) als auch in Kleidung im Mittelalter (Kania) werden Fadendichten von 18 pro cm als fein bezeichnet und beim genaueren Nachzählen kam ich bei meinem Stoff sogar auf 20, dürfte also taugen.
Einen Statusbericht habe ich auch noch: Der Viertelschnitt macht sich soweit ganz gut (bin immer noch beim Probestoff). Die zusätzliche Weitenregulierung an Front- und Rücknaht funktioniert erwartungsgemäß deutlich besser, als nur über die Seitennähte. Nächste Baustelle werden die Armausschnitte und Ärmel und dann werde ich mich an den Wollstoff wagen. Langsam bin ich zuversichtlich, dass da was gescheites bei raus kommt und mein Endergebnis deinen Bemühungen hier gerecht wird :)

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Eintrag #15 vom 29. Jul. 2016 16:18 Uhr Christina (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Christina eine Nachricht zu schreiben.

nach oben / Zur Übersicht Was lange währt, wird endlich gut...

… oder so ähnlich ;)
Ich wollte mal einen Statusbericht abgeben, nicht dass hier noch jemand (v.a. Jens) denkt, ich würde mir mühevoll zusammengeschriebene Hilfe abholen und dann in der Versenkung verschwinden (dabei bin ich einfach nur unfassbar langsam).
Mein Kleid ist inzwischen so gut wie fertig :). Und (tadaa) es hat tatsächlich mit Viertelschnitt und ohne Verschluss funktioniert! Das ausschlaggebende war zum einen natürlich der deutlich dehnbarere Wollköper und zum anderen die richtige Technik beim Ausziehen… - nachdem ich zwischenzeitlich zwar rein aber nicht mehr raus gekommen bin (was ein Spaß).
Ich möchte mich noch mal ganz herzlich bei dir, Jens, bedanken :) Ohne deine Erfahrungsberichte und sonstige Hilfe hätte ich bei der Schnitterstellung wahrscheinlich kapituliert und irgendwas Halbgares (viel zu weit oder mit Verschluss) produziert.
Sooo… und jetzt geh ich noch ein bisschen in mich und versuch mich zu entscheiden, wie lang ich das Kleid mach (bodenlang oder mit Überlänge).

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