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Rebecca Gablé

Hiobs Brüder

€ 25,00 - Ehrenwirth Verlag (2009)

"Rebecca Gablé - Hiobs Brüder"

Rezension: Andre Henning  Profil   Nachricht Bitte einloggen, um Andre Henning eine Nachricht zu schreiben.
Bewertung:
Durchschnittlich 3 Sterne
Durchschnittlich 3 Sterne
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Rebecca Gablé - Hiobs Brüder

England in den Jahren 1147 - 1154: Eine seltsam zusammengewürfelte Gruppe von geistig und körperlich Behinderten entkommt ihrem Exil auf einer kleinen Insel und beginnt einen Road-Trip durch England. Zwei von ihnen entstammen dem Adel und entscheiden fortan die Hohe Politik der Insel mit.

Hintergrund der Geschichte sind die Wirren der Auseinandersetzungen um die Thronfolge nach dem Sinken des White Ships und damit der Bürgerkrieg zwischen König Stephen und Kaiserin Maud, der bekanntlich Henry Plantagenet und Eleanore von Aquitanien als strahlendes Herrscherpaar hervorbringt.

In gewohnt mitreißender und dramatischer Manier führt Rebecca Gablé den Leser durch die Zusammenhänge der wichtigsten politischen Ereignisse dieser Zeit - und bleibt damit der Erzählperspektive aus der Sicht des niederen und mittleren Adels treu, der jedoch stets direkt am Puls der Ereignisse steht. Leider schwankt die Erzählgeschwindigkeit stark, so dass auch dieses Buch seine Hänger hat. Streckenweise fragt sich der Leser, was auf den letzten 50 Seiten passiert ist, teilweise fühlt er sich von Informationen erschlagen.

Das Dramatis Personae fällt erstaunlich klein aus. Viele auftauchende Figuren treten für den Leser zu stark in den Hintergrund, um wirklich charakterisiert zu werden und bleiben schemenhaft blass. Ausführlich dargestellt werden die Hauptpersonen - die Geflohenen, Henry, ein jüdischer Arzt - doch bleiben auch diese seltsam flach und lassen Identifikationspotenzial vermissen. Dies wäre bei einem historischen Roman auch nicht weiter schlimm - entstünde hier nicht der Eindruck, sie handelten wie übermäßig tolerante und aufgeklärte Personen des 21. Jahrhunderts in Gewändern des 12. Diesen Vorwurf muss die Autorin sich leider gefallen lassen - durch die Handlung, aber auch die Art der Darstellung der Helden erscheinen diese unglaubwürdig. Ebenso die Handvoll "Bösewichte", die in der Geschichte auftauchen - keine subtilen Intrigen, keine hinterhältigen Fallen, sondern pure Gewaltverherrlichung steht hier im Mittelpunkt.

Die Beschreibung der Orte, Personen und Ausstattung insgesamt hat mir persönlich nicht gereicht, mich in die Welt des 12. Jhdts. versetzt zu fühlen - was ich von anderen Autoren, aber auch von R. Gablé schon durchaus besser gewohnt bin. Zwar wird grob die Kleidung von Mann und Frau ebenso beschrieben wie die grundsätzliche Waffen- und Rüsttechnik, aber das war's dann auch. Nur sehr wenige Handwerke, Alltagsgegenstände oder –handlungen tauchen auf. Mit einigen Modifikationen könnte man die Geschichte durchaus auch ins 9. oder 14. Jhdt. versetzen, wären da nicht die Vorlagen aus der Realität.

Einer der Hauptkritikpunkte ist für mich, dass das Ringen, die Realität in einen netten Roman zu verpacken, stellenweise zu bemüht erscheint. Wichtige Personen – wie Henry Plantagenet oder Thomas Beckett erscheinen aus der hohlen Hand. Die Geschichte wird durch viele unwahrscheinliche und dadurch zu stark konstruierte Zufälle geprägt. Dadurch wird die beschriebene Welt für den Leser unglaubwürdig.

Fazit: Hierbei handelt es sich um eine gut erzählte Geschichte, durch deren Studium der Leser sein Wissen um die englische Geschichte im 12. Jahrhundert aufpolieren kann. Wem es jedoch nur darum geht, dem empfehle ich Gablés "Von Ratlosen und Löwenherzen", das die selben Informationen komprimiert und anschaulich herüberbringt. Das Beiwerk in „Hiobs Brüder“ liest sich eher wie eine fantastische Road-Story, nicht wie ein historischer Roman. Dafür fehlt – wie dargestellt – leider letztlich die Atmosphäre.