1. Wahl (Primärquellen)
Einträge 1 bis 46 (von insgesamt 46 Einträgen)
Eintrag #1 vom 14. Mai. 2000 10:51 Uhr
Axel Aue
In der Bekanntmachung der Agenda 1212, die der letzten "Turm & Zinne" beilag, wurde die Auswertung von sog. Primärquellen, d.h. mittelalterlichen Schriften oder Bildern, über die Auswertungen von "Fachleuten", sog. Sekundärliteratur gestellt. Wenn ich mir so anschaue, welche Schwierigkeiten die Interpretation dieser Primärquellen macht, welch umfangreiche Kenntnis zeitgleicher Quellen anderer Autoren/Maler das voraussetzt, wie schwierig es ist, eine Vorstellung davon zu bekommen, was der Autor/Maler damit erreichen wollte, wie sein Weltbild aussah, dann stelle ich mir die Frage, ob der grösste Teil der Mittelaltergemeinde (mich eingeschlossen) das leisten kann. Begriffe sind nicht definiert, politische Ziele stecken darin, bei Bildern wurde eventuell dem politischem Gegmer Rückständigkeit attestiert, indem man ihn einfach in veralteter Ausrüstung darstellte, Bilder wurden eventuell von älteren Bildern abgemahlt usw… Ich plädiere dafür, die Sekundärquellen zumindest mit den Primärquellen gleichzusetzen, eher noch als wichtiger zu erachten. Die Gefahr von Fehlinterpretatonen scheint mir doch sehr gross zu sein.
Axel
Bewertung:
Eintrag #2 vom 14. Mai. 2000 12:17 Uhr
Hans-Joachim Maier
-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE----- Hash: SHA1 Hi Axel, bitte was für ein Unsinn steht da drin? Primärquellen sind Sekundärquellen (Fachliteratur etc…) vorzuziehen? Und Archäologen haben demnach wohl nur gelernt mit Schäufelchen und Eimerchen im Sand zu buddeln, oder was? Habt ihr eine Ahnung was es an Ausbildung bedarf solch Primärquellen zu deuten und in Beziehung zu brigen? Ich müsste mir die Agenda mal besorgen und herausfinden was für ein Unsinn da noch drinsteht. Ich werde mal ne Freundin anrufen, sie ist Archäologin und bin mal gespannt was Sie dazu meint. Viele Grüße, ein sich amüsierender HJ -----BEGIN PGP SIGNATURE----- Version: PGPfreeware 6.5.3 for non-commercial use iQA/AwUBOR5vvZijnI+yCg0vEQIwfQCg5INWhVJPoWW8w9DepknDu1ZEKPkAoNs8 GtoKz8sanVQCC54MCicQEch6 =RUpY -----END PGP SIGNATURE-----
Bewertung:
Eintrag #3 vom 14. Mai. 2000 13:09 Uhr
Beitrag anonymisiert
Für so unsinnig halte, ich sein Posting garnicht im Grunde stimmt es ja, Archeologie ist ein stochern im Dunkeln, was man wie interpretiert und auf welche Quellen man sich dabei verlässt ist eine eigene Geschichte, wenn wir aber so weitermachen würde wie du, sich blind auf irgendwas schriftliches zu verlassen, dann sterben wir irgendwann aus denn der Mensch hat auch viel Unsinniges verfasst, Politisch Religiös oder auch sonstirgendwie verklärt. Ein Vernünftiger Mensch hinterfragt alles! Im Grunde stimme ich aber der Tatsache zu das man sich nicht blind auf irgendwelche Quellen verlassen sollte, denn der Sieger und meist, überleben nur dessen Quellen, schrieb die Geschichte.
Thorgrimm Firesbrunst (freier Wikinger)
Bewertung:
Eintrag #4 vom 14. Mai. 2000 13:43 Uhr
Hans-Joachim Maier
-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE----- Hash: SHA1 Hi Frank, Axels Posting finde ich ja gar nicht unsinnig. Eher diese Passage in der Agenda. Wenn ich Zahnweh habe gehe ich ja auch zum Zahnarzt und doktere nicht an mir selbst herum. Das ich weils mir Spass macht meine eigenen Forschungen betreiben kann ist ja unbestritten. Nur in letzter Konsequenz ziehe ich es vor den Fachleuten zu vertrauen. In meinem Beruf (hat nichts mit Archäologie/Mittelalter zu tun) sehe ich auch immer wieder welchen Unsinn viele Hobbyisten verzapfen. Es mag ja einige Hobbyisten geben die dazu befähigt sind Primärquellen korrekt auszuwerten. Aber ich bezweifle, dass das mehr als eine Handvoll sind. Dieses Vorgehen in einer Agenda1212 zum quasi Standard zu erheben finde ich sehr bedenklich. Oder was glaubst Du warum es soviel Unsinn über unser Hobby im Internet giebt? Deswegen: Ich vertraue lieber auf die Meinung der Fachleute! Viele Grüße HJ -----BEGIN PGP SIGNATURE----- Version: PGPfreeware 6.5.3 for non-commercial use iQA/AwUBOR6DtpijnI+yCg0vEQKCjQCgtUWO/OU0uNzDPzKC6z8f5gJHEHQAn0Mc r6TULrw4y19Bh0qPCHRMslkw =zkcG -----END PGP SIGNATURE-----
Bewertung:
Eintrag #5 vom 14. Mai. 2000 14:06 Uhr
Matthias Doettlaff
Bitte einloggen, um Matthias Doettlaff eine Nachricht zu schreiben.
Hallo alle! Ich kenne zwar den Text der Agenda nicht, da ich Turm und Zinne nicht beziehe, aber mit seinen Bedenken hat Axel vollkommen Recht. Ich kann mich selbstverständlich mit Bildern und Fundstücken befassen, aber ohne die umfassenden Zusammenhänge, auch über die betrachtete Zeit hinaus, kann ich mich auf der Suche nach der Bedeutung ziemlich verirren. Das ist ein Problem, das auch Berufshistoriker zur Verzweiflung bringen kann. Wenn ich etwa ein Bild betrachte, ist von verschiedenen Dingen abhängig, was ich letztendlich darauf erkenne: - vom Umfang meiner Kenntnis bezüglich der Entstehungszeit - vom Umfang meines Wissens bezüglich des Entstehungsortes - vom Umfang meiner Kenntnis über Beziehungen zu vergleichbaren Bildern in Machart und Symbolik - vom Ziel, mit dem ich das Bild betrachte - … Allein diesen Punkten zu genügen traue ich mir selbst nicht zu, ebensowenig wie den weitaus meisten Menschen ohne Tätigkeit als Berufsgeschichtler in irgendeiner Form (Historiker, Kunsthistoriker, Archäologen, …). Es nützt mir nichts, wenn ich mir ein Bild ansehe und erstmal die Hälfte der dargestellten Objekte nicht erkenne. Es hilft mir auch nichts weiter, wenn ich zwar die Dinge erkenne, sie aber einem falschen Zusammenhang zuordne, weil mir das umfassende Wissen um Zusammenhänge bezüglich der Darstellungen auf diesem Bild fehlt. Als Beispiel: Aus den Werkstätten Dürers und Cranachs stammen ziemlich viele Darstellungen barbusiger oder ganz nackter Hexen. Die Bandbreite reicht vom Besenritt bis zu Geschlechtsverkehr mit verschiedensten Wesen, von Mann über Tiere bis Dämonen/Teufel. Was sagt mir das über die Zeit? Zeigt es neutral die Hexenvorstellung der frühen Neuzeit? Zeigt es mir die ßngste, die die Menschen der Zeit quälten? Oder zeigt es mir eine Hintertür, durch die pornographische Themen dem zahlenden Publikum an der Kirche vorbei zugänglich gemacht werden konnten? Eine Reihe von Historikern nennt die Darstellung der ßngste als Hauptmotiv für die Entstehung der Bilder. In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen, die bei den Bildern den pronographischen Charakter in den Vordergrund stellen. Wer hat Recht? Ich traue mir jedenfalls nicht zu, den tieferen Sinn solcher Bilder zu erklären. Oder um bei mittelalterlichen Bildern zu bleiben: Was hat auf einem Bild aus dem Jahr 1313 ein Diptychon mit gerundetem oberen Rand zu sagen? Trägt es ein Geistlicher, ein Ritter oder ein anderer Weltlicher? Ist ein Geistlicher in dem Fall dann ein Student, ein Verwalter, ein Scriptor oder was anderes? Ist der Ritter in einem solchen Fall des Lesens kundig oder symbolisiert das Diptychon lediglich, daß er sich mit schöngeistigen Dingen (Minnepoesie, etc.) beschäftigt? Welche Bedeutung mag der nicht ritterliche Weltliche haben? Ist er ein Student, Verwalter, Rats- oder Gerichtsschreiber? Oder bin ich in allen Fällen auf dem Holzweg? Das zu beurteilen, ist ohne umfassende Kenntnis (die sich in der Regel aus Sekundärquellen herleitet), kaum möglich. Wenn ich bei dem Beispiel bleibe, dann kann ich mich auch fragen, warum die Wachstafel oben rund ist. War sie das schon im antiken Rom? Ist das eine Mode des MA? Waren alle Tafeln oben gerundet? Wenn ich mit Realien vergleiche, dann kommen ich zu dem Schluß, daß es Wachstafeln in so ziemlich jeder Form zwischen 4cm und einem halben Meter Größe, einseitig, zweiseitig, buchartig vielseitig, mit und ohne Griffe oder Halterungen zum aufhängen, rechteckig und gerundet gab. Wenn ich mir nur zeitgenössisches Bildmaterial dazu betrachte, bekomme ich zwangsläufig den Eindruck, daß alle Wachstafeln zweiseitig und oben gerundet waren. Ohne den ßberblick, wann eine Darstellung allgemeinverständlich idealisiert ist, und wann nicht, komme ich zu falschen Eindrücken der Wirklichkeit. Das gleiche gilt, wenn ich zeitlich quer denke. Wenn ich Renaissance-Darstellungen der ßbergabe der 10 Gebote sehe, bleibt die Frage offen, ob der Künstler sie den idealisiert dargestellten Diptichons nachempfunden hat, da diese auch Text enthalten, oder ob bereits die mittelalterlichen Kleriker ihre Tafeln nach (ihren Vorstellungen?) den Gebotstafeln nachgebildet haben. Ich kann diese Frage nicht beantworten… Politische Motivationen sind, wie Axel schon betont hat, sehr wichtig bei der Interpretation von Primärquellen. Der sächsische Fürst Widukind ist da ein interessantes Beispiel. Die erste schriftliche Erwähnung des Fürsten ist fränkischen Ursprungs und beschreibt ihn als aufrührerischen Anführer, den Karl der Große befriedet hat. Diese fränkische Reichschronik ist aber erst 50 Jahre nach Widukinds Unterwerfung verfaßt worden. Die erste sächsische Chronik ist noch weitere 50 Jahre jünger und beschreibt Widukind als Sachsenfürst, der durch Gottes Willen getauft wurde und sich damit dem christlichen Karl unterworfen hat. Widukind von Corvey beschreibt rund um 1000, also 200 Jahre nach den Ereignissen, daß der König der Sachsen von der Heiligkeit Gottes erleuchtet wurde und sich Gottes Willen fügte. Der Sachsenfürst wird hier zum Heiligen stilisiert. Wenn man da genauer nachsieht, kommt man zu dem Schluß, daß gerade die Chronik des Widukind von Corvey die aufsteigende Herrschaft der Welfen festigen soll, indem sie auf göttlichen Willen und Widukinds Quasi-Heiligkeit pocht. Im Laufe des Mittelalters wird das Heiligenmotiv weiter aufgebaut. In der Neuzeit wird Widukind dann zum Volkshelden stilisiert, der den Franken mutig die Stirn geboten hat, ehrenhaft und stilvoll unterlag. Das Bild hob nun prima die Motivation der Leute für Kriege gegen Frankreich von der Zeit des Absolutismus bis 1870/71 an. So richtig ausgeschlachtet wurde Widukind dann im Arierwahn der Nazis. Bis heute ist nicht gesichert, ob Widukind nun ein kleiner aufrührerischer Stammesfürst oder ein König über alle sächsischen Stämme war. Das zu entscheiden, oder auch nur die Quellen zusammenzutragen, damit ein umfassendes Bild entstehen kann, traue ich mir nicht zu… Lange Rede, wenig Sinn: Primärquellen sind sicher allesamt sehr beachtenswert, aber ohne einen Kontext, der mir das Verständnis ermöglicht, helfen mir die nicht viel weiter. Sich diesen Kontext selbst erarbeiten zu wollen, erscheint mir der Versuch, die Arbeit der Historiker, die einen Großteil ihrer Zeit mit ihren Spezialgebieten verbringen, innerhalb eines hobbies selbst zu vollbringen. Sekundärquellen sind ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluß, aber kritisches Hinterfragen ist schließlich erlaubt. Schöne Grüße an Sysiphos! Matthias Topasius
Bewertung:
Eintrag #6 vom 14. Mai. 2000 14:48 Uhr
Andrew Van Ross
Bitte einloggen, um Andrew Van Ross eine Nachricht zu schreiben.
Oh, Mann! Eine Sekundärquelle kann ALLES sein, aber auch wirklich ALLES! Von schelchten Was-ist-Was - Bildern über bedenkliche Men-at-Arms - Cartoons bis hin zu bunten Kitschromanen. Und Ihr wollt auf Sekundärquellen bauen. Beispiel: Ich könnte mir meine nächste Klinge anhand eines Osprey-Bildes anfertigen (Zeigt einen Lucera-Sarazenen des 13.JhdAD). Da ich euerm Vorschlag zufolge mich nicht an Primärquellen wagen sollte, würde mir überhaupt nicht auffallen, dass die dargestellte Klinge aus ßgypten stammt, und von ßrchäologen auf das 9.-11-Jhd.AD datiert wurde. Also, Sekundärquellen sind immer kritisch zu hinterfragen, besonders wenn der Publizist nicht die Herleitung und die entsprechenden Primärquellen erläutert. Wollt Ihr den Nachbau nordfranzösischer Militärausrüstung des Hochmittelalters lieber an der Maciejowsky-Bibel angelehnt wissen, oder an den Waffen-Funcken? Grüsse,
Andrew
Bewertung:
Eintrag #7 vom 14. Mai. 2000 15:32 Uhr
Ranes Haduwolff
Bitte einloggen, um Ranes Haduwolff eine Nachricht zu schreiben.
Grüß Euch, mit Sicherheit habt Ihr da einen wichtigen Punkt getroffen! Es sollte besser so heißen, dass Primärquellen UND zuverlässige Sekundärquellen anderen Quellen vorzuziehen sind. Der Knackpunkt ist nämlich die Zuverlässigkeit der Sekundärquellen! Hier liegt das Problem. Wieviele Werke sind inzwischen hoffnungslos überholt, werden aber weiterhin als Quellen genutzt, um z.T. falsche Erkenntnisse weiterzugeben? Und sind wissenschaftliche Arbeiten nicht auch von Menschen geschrieben, getrieben von ihren persönlichen Wünschen und Zwängen, behaftet mit der Möglichkeit, Fehler zu machen? Ich kenne einen Fall persönlich, wo Fehler bewusst in Kauf genommen wurden (durch zuwenig Recherche), nur um rechtzeitig den Verlagstermin einzuhalten. Auch ein Doktortitel verhindert nicht, daß ein überholtes Werk des 19. Jhdt. einfach abgekupfert wird, und die Skizzen aus anderen Büchern fast strichgenau abgemalt und dazu Primärquellen falsch datiert sehr zweifelhaft interpretiert werden… Der Haken ist eben diese Interpretation, und da bleibe ich doch im Zweifel - IM ZWEIFEL - lieber bei den Primärquellen, den Funden, Steinmetzarbeiten, Bilderbibeln usw…die zugänglich sind. Wenn die Fachliteratur z.B. behauptet, eine Waffe wie den Ahlspieß gab es erst ab dem 15.Jhdt, und ich finde in einer Bibel des 13. Jhdt. 4 Abbildungen dieser Waffe im Gefecht, hat sich das Thema erledigt. Und darum geht es, denke ich, in der Aussage der Agenda auch. P.S.: Aber…aber wie überprüft man die Zuverlässigkeit der Sekundärquellen…?!?!? Oh, oh!
Euer Haduwolff
Bewertung:
Eintrag #8 vom 14. Mai. 2000 15:34 Uhr
Hilmar Becker
Bitte einloggen, um Hilmar Becker eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Leute Der goldene Weg dürfte irgendwo in der Mitte liegen, wie immer. Quellen muß mal immer kritsich lesen, seinen es Primär- oder Sekundär- oder wasweißich-Quellen, besonders die "Ich habe gehört"-Quelle. Infos über die Agenda 1212 gibt es unter wwwconpac.de/Agenda/Agenda2.ht
Hilmar Becker
Bewertung:
Eintrag #9 vom 14. Mai. 2000 15:45 Uhr
Axel Aue
Nun wie immer, das habe ich vorausgesetzt, sollte man sich nie nach nur einer Quelle richten. Weder bei Primär-, Sekundär- oder kombinierten Quellen. Natürlich können auch "Fachleute" irren oder bestimmte Dinge einfach ihrer Sichtweise unterordnen. Zum Glück gibt es aber auch unter "Fachleuten" dikussionen, die man verfolgen kann. Also, nie einer einzigen Quelle trauen ! Im Endeffekt halte ich die Interpretationen der "Fachleute" aber für wesentlich fundierter als meine eigenen, aus fragmentarischem Wissen zusammengestückelten… Was nicht bedeuten soll, das man nicht in dem einen oder anderem Zweig selber "Experte" werden kann !
Axel
Bewertung:
Eintrag #10 vom 14. Mai. 2000 16:08 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Also, im Prinzip sind Primärquellen gut, um festzustellen, daß es diese eine Sache zu einer bestimmten Zeit gab. Interpretationen erfordern jedoch eine sorgfältige Dokumentation der Zsammenhänge, und glaubt mir, nicht ist langweiliger, als sich durch unkommentierte Grabungskataloge (zB) zu arbeiten. Daher ist die Nutzung von einigermaßen wissenschaftlich anerkannten Sekundärquellen geradezu existenziell!!! Natürlich muß man diese dann auch entsprechend kritisch lesen und die Darstellungen Verschiedener Autoren vergleichend zurate ziehen, denn wie Haddu schon bemerkt hat, neigen auch Fachleute dazu, ihre bevorzugte Interpretation als die einzig richtige zu verkaufen…womit sie auch falsch liegen können. Ich habe dieses Thema auch schon mal in zwei Beiträgen zum Thread "Hörnerhelme" angechnitten, da ist ein schönes Beispiel… Aber auch mit dieser Fehlerneigung erhält man über die Sekundärquellen mit etwas Mühe eine Sammlung der wahrscheinlichsten Interpretationen…da kann man sich dann anhand der Argumentationen der Autoren überlegen, welcher man folgen will. Das ist allemal besser, als ohne die notwendigen Kenntnisse (auch in Bezug auf Fundzusammenhänge u.ä.) einfach draufloszuraten, denn dann kommen immer unsere Wunschvorstellungen und die Ansichten der Moderne, die oftmals völlig andere Denkstrukturen hat, als die zu untersuchende Struktur, mit hinein. Auch nach inzwischen 10 Semestern Archäologie bin ICH nicht so vermessen, ohne die Vorarbeit anderer Forscher auskommen zu wollen und mir die Orginale direkt vorzunehmen… Daher kann ich Matthias´ Argumentation (die Bilder) sehr gut nachvollziehen… Natürlich sollt Ihr Euch nicht BLIND auf geschriebenes verlassen…wie oft habe ich mich über den Unsinn in veralteter Literatur (und das Fehlen neuerer) geärgert; aber wenn man aufmerksam liest, hat man trotzdem erstmal einen Zusammenhang. Wenn´s dann an Interpretationen und Bedeutungen geht, denkt man auf einmal "Was schreibt denn der für ´nen Quatsch???" -das geht! Und dann hat man den Punkt, auf den man aufbauen und sich die schön gesammelten, konzentrierten und sortierten Fakten nochmal vornehmen und sich eigene Gedanken machen kann… Viel Spaß dabei
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #11 vom 14. Mai. 2000 17:30 Uhr
Axel Aue
Bei dem Beispiel von Hadu Eintrag 7 fallen mir mehr oder weniger spontan schon mal drei möglichkeiten ein: 1: unsichere/falsche Datierung des Bildes, 2. unsichere/falsche Datierung der anderen Funde, 3. unbekannte Quelle… Sicher gibt es da noch mehr deutungen, …
Axel
Bewertung:
Eintrag #12 vom 14. Mai. 2000 19:32 Uhr
Hans Joachim Oberländer
Bitte einloggen, um Hans Joachim Oberländer eine Nachricht zu schreiben.
Liebe Leute :-))) Was´n Thema primär oder sekundär ??? Der Eine verlässt sich auf Primäre und der nächste auf sekundäre Quellen. Aber WER kann nun wirklich sagen dass die Primärquellen das absolute " NON PLUS ULTRA " sind. Auch diese Aussagen sind zum Teil Vermutungen oder Irre ich da ? Hß? Ein sehr kopfschüttelnder Trossi
Der Trossmeyster Julien de Thionville
Bewertung:
Eintrag #13 vom 14. Mai. 2000 20:35 Uhr
Christoph Bitter
Hallo HaJo! Eigentlich keiner. Nehmen wir mal die schöne Sage von Atlantis: Platons Bericht ist die einzige Primärquelle, die es zu Atlantis gibt. Er beruft sich dabei auf einen Bericht einer Tatsache usw. ßber dieses Thema gabs dann natürlich auch Sekundärquellen usw., wissenschaftliche Abhandlungen und romantische Schwärmerei zu hauf. Darf man nun Platon, der Primärquelle absolutes Vertrauen schencken, weil Wissenschaftlich sich damit beschäftigten? Oder den Büchern der Wissenschaftler? Und wie ist es mit der so oft veränderten, Ober-primärquelle, der Bibel? Kann man auch dort alles für wahr ansehen? Natürlich, das sind alles Beispiele aus dem Altertum, aber Geschichtsverfälschendes wie der Dolchstoßlegende des v. Ludendorffs gibts bis unsere Zeit hinein. Ich bin der Meinung, auch Primärquellen kann man nicht als absolute Wahrheit ansehen. Politische Aspekte, Hörensagen, rel. Wahn usw. fließen da zu häufig hinein. Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #14 vom 15. Mai. 2000 08:04 Uhr
Ranes Haduwolff
Bitte einloggen, um Ranes Haduwolff eine Nachricht zu schreiben.
Grüß Euch, aber Christoph, wo ist Platon denn eine Primärquelle?????? Der Bericht ist eine klare (alte) Sekundärquelle, ein Bericht über etwas (damals schon) längst Vergangenes… Es gibt keine Primärquelle aus Atlantis. Keine Funde, Ruinen, Schriften, Knochen, Gräber…garnichts. Nicht mal einen Ort (Santorin ist nur eine Vermutung). Sicher mag in jeder Sage ein Körnchen Wahrheit stecken, aber das ist doch keine Primärquelle… Gegenbeispiel: Rungholt, die sagenhafte, versunkene Stadt in der Nordsee. Es wurden die Fundamente des Domes im Wattenmeer gefunden, Münzen, Ringe, Grabsteine u.a. Das sind Primärquellen, die allerdings die Sagen und späteren Chroniken (=Sekundärquellen) bestätigen.
Euer Haduwolff
Bewertung:
Eintrag #15 vom 15. Mai. 2000 08:42 Uhr
Matthias Doettlaff
Bitte einloggen, um Matthias Doettlaff eine Nachricht zu schreiben.
Hi Hadu, ich nehme mal an, Du willst die Existenz von Dingen/Personen/Ereignissen, für die keine Primärquellen vorliegen, nicht generell in Abrede stellen. Mein Beispiel von Widukind ist nämlich auch sowas wie Atlantis. Was da an Primärquellen exiestiert, ist so vage, daß man es auch problemlos in fast jeden anderen Kontext einordnen kann. Selbst in seinem Grab fand man lediglich die ßberreste einer Frau. Allerdings gilt hier die Existenz des Fürsten als gesichert… Schickst Du mir die Unterlagen zur Agenda per mail? Als text-file oder Word 6.0… Grußvoll, Matthias Topasius
Bewertung:
Eintrag #16 vom 15. Mai. 2000 16:05 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Widerwillig muß ich mal Hadu zustimmen… Aufzeichnungen ßBER etwas oder jemand sind höchstens dann Primärquellen, wenn sie autobiographisch sind oder von einem direkt beteiligten (zB einem Atlanter) vorgenommen werden… Aber auch Christoph hat natürlich recht, wenn er darauf hinweist, daß die Verfasser von Primärquellen nicht unbedingt objektive Darstellungen verfassen / anfertigen. Das gilt auch für die Schöpfer reiner Sachfunde, die mit darstellenden Verzierungen versehen sind (Reliefs, die Bilder auf dem Krater von Gundestrup…); auch die wählen willkürlich aus. Dennoch geben diese Quellen ein zumindest ein zuverlässiges Bild darüber, welches Bild von den Dingen diese Person hatte…das muß ja nicht unbedingt realistisch gewesen sein (sind Künstler eh in den seltensten Fällen…bin ja selber einer). Aber das Problem bleibt: Wir machen uns ein Bild von einem Bild…und mit jeder Kopie läßt bekanntlich die Qualität nach. Da wird ein Detail nach dem anderen immer unschärfer…und dann habe ich gern die Lupe des Fachmanns, der es mir etwas vergrößert und die Konturen nachzieht, bevor ich an meine Interpretation gehe… mfg
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #17 vom 15. Mai. 2000 19:05 Uhr
Beitrag anonymisiert
Ich muss Hadu diesmal leider Zustimmen ;-) Platon ist in Bezug auf Atlantis nicht die Primärquelle! Wenn du Platons Berichte aufmerksam studiert hättest hättest du erfahren das Platon die Texte von einer Säule in einem altägyptischen Tempel abschrieb und erst später in einen Text umsetzte. Selbst wenn du den Tempel und die Inschrifft findest, ist das nicht unbedingt die Primärquelle, schließlich hat derjenige der sie gemeiselt hat auch irgendwo einen Text gehabt der von jemandem stammte der evtl von jemand gehört hat der von jemandem weis der davon berichtete wie jemand davon erzählte usw usw usw…… Gruß
Thorgrimm Firesbrunst (freier Wikinger)
Bewertung:
Eintrag #18 vom 15. Mai. 2000 19:41 Uhr
Christoph Bitter
Hallo Frank! Ich kann Dir leider nicht zustimmen. Nicht Platon, sondern Solon, Politiker und Ahne des Platon, war in der dam. ägyptischen Hauptstadt Säis, wo ihm die Sage von ägypt. Pristern erzählt und die Säule gezeigt wurde. Salon schrieb all das auf; jedoch sind inzw. alle Schriften von ihm verloren. Platon erhielt damals durch seinen Urgroßvater Kritias das Original. Usw., Usw…. Hallo Hadu! Wenn ich Platon hier als Primärquelle genannt habe, dann deshalb (Salon außer acht lassend), weil er diese Sage als Erster aufschrieb. Hättest Du mein Schreiben richtig gelesen, währe Dir vieleicht auch aufgefallen, daß ich nicht darüber diskutiert habe ob es nun Atlantis gab oder nicht. Hier wurde nach Primär- und Sekundärquellen gefragt inwiefern man ihnen glauben kann. Es wurde nicht danach gefragt, ob es Atlantis, Christus, Rungholt, Amerika und Australien in der damaligen Zeit wirklich gab. Das hier jetzt eine Diskussion über Atlantis anfängt, war nicht von mir gewollt. Die Frage war nach dem "wahrheitsgehalt von Primärquellen". Ich habe nur Beispiele aufgeführt; darunter auch die Bibel! (in der Lukas, Matthäus und die anderen Schreiber ebenfalls nicht in der Zeit Christi gelebt hatten) Also bitte weiter mit dem Thema, ja? Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #19 vom 15. Mai. 2000 19:44 Uhr
Christoph Bitter
Zusatz: Amerika und Australien habe ich nur deshalb erwähnt, weil sie damals auch als Sagen galten. Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #20 vom 15. Mai. 2000 19:51 Uhr
Christoph Bitter
Und jetzt wieder zum Thema, mach ich doch gleich den Anfang! Hallo Frank! Du bezeichnest also eine mündl. Wiedergabe als Primärquelle? So hab ich das allerdings noch nicht betrachtet. Für mich gilt nur das Niedergeschriebene, und zwar das Erstmalige, als Primärquelle. Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #21 vom 15. Mai. 2000 21:01 Uhr
Patrick Seehaber
Bitte einloggen, um Patrick Seehaber eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Leute. Hat nicht viel mit dem Einstiegsthema von Axel zu tun, aber ich habe den Eindruck, es gibt Klärungsbedarf, wie mit den Begriffen Primär-/Sekundärquelle unzugehen ist. Eine Primärquelle ist, wenn man dem Herrn Langenscheidt glauben schenkt, ein "ursprünglicher, originaler Beleg". Das bedeutet, Platos Schrift ist, nach obiger Definition , eine Primärquelle. Aber in Hinsicht auf Atlantis offensichtlich doch nicht. Der springende Punkt ist wohl immer die Betrachtungsweise oder das Ziel, das man verfolgt. Will ich Platos Leben rekonstruieren und erforschen, dann ist eine solche Schrift sicher eine Primärquelle, ist mein Ziel jedoch Informationen über Atlantis zu bekommen, ist diese Schrift es nicht, sondern eher , wie Hadu schon sagte, eine (alte) Sekundärquelle. Ich denke, man kann nicht alle Funde pauschal als Primär oder Sekundärquelle abstempeln, oder wie seht ihr das? Um noch was zum Einstiegsthema zu sagen: Ich bin der Meinung, man sollte der Sekundärliteratur und ihren Autoren zumindest genausoviel Geltung zuteil werden lassen, wie den Funden selbst. Es steckt viel Arbeit in einer tauglichen Interpretation eines Fundes - diese bewundere ich und bin weit davon entfernt, sie selbst leisten zu können.
Patrick.
Bewertung:
Eintrag #22 vom 15. Mai. 2000 21:32 Uhr
Andrew Van Ross
Bitte einloggen, um Andrew Van Ross eine Nachricht zu schreiben.
Natürlich sind Quellen oftmals "relativ primär" oder "relativ sekundär". So ist die Originalniederschrift der Memoiren Usama ibn Munqhids sicherlich primärer als die englische ßbersetzung jenes Textes. Diese ßbersetzung wiederum ist eher eine Primärquelle, als die bruchstückhaften Zitate in einem Osprey-Buch, welche ihrerseits ……. usw. Es gibt also immer eine "PrimäRSTquelle" und weitere Abstufungen der Zuverlässigkeit.
Andrew
Bewertung:
Eintrag #23 vom 15. Mai. 2000 21:59 Uhr
Axel Aue
Hi. Mir ging es nicht in erster Linie darum, Definitionen für Primär- und Sekundärquellen zu erstellen. Wenn das dabei herauskommt, ist das ein schöner Nebeneffekt und anscheinend auch mal nötig. Mir ging es aber darum, herauszufinden, ob man den Primärquellen mehr Gewicht zugestehen sollte als den Sekundärquellen. Zumindest, wenn man das offiziell in eine Art Satzung eines wie auch immer gearteten Verbandes tut. Denn dann bedeutet es halt nicht nur für denjenigen, der es sich zutraut und der sich über die Risiken im klaren ist, das er sich damit auseinandersetzt, sondern auch jeder Neuling wird im Prinzip dazu verdonnert. (Wenn er denn Mitglied in diesem "Quasi-Verband" ist). Das ist die Hauptgefahr die ich dabei sehe.
Axel
Bewertung:
Eintrag #24 vom 15. Mai. 2000 23:50 Uhr
Christoph Bitter
Hallo Axel! Natürlich sollte man einer Primärquelle mehr Gewicht beilegen als einer Sekundären, denn oft genug wird dabei aus einem Nashorn ein Einhorn. (Wortspiel!!!!!) Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #25 vom 16. Mai. 2000 08:46 Uhr
Mario Triegel
Die ganze Diskussion erinert mich an das Buch eines Herrn Illig "300 Jahre erstunken und erlogen "
LGvW
Bewertung:
Eintrag #26 vom 16. Mai. 2000 10:21 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Christoph: Und ohne die Entsprechenden Fachkenntnisse, Arbeitsweisen und Zusatzinformationen, die häufig nur beschränkt zugänglich sind (außer als -sekundäre- Zusammenfassungen und Aufarbeitungen) sind WIR diejenigen, die das Nashorn zum Einhorn machen…also Vorsicht!!! ( siehe Beitrag 10. ) bis dann
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #27 vom 16. Mai. 2000 15:12 Uhr
Andreas
(Nachname für Gäste nicht sichtbar)
Bitte einloggen, um Andreas eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Alle, Ich wäre ganz vorsichtig, welche Grundsätze ich in meine Satzungen aufnehmen würde! Erst am Wochenede habe ich erfahren, daß Regia Anglorum jetzt zum Beispiel die Farbe Blau bei den Klamotten seiner Mitglieder verbieten will, da eine alte Textquelle Lapislazuli als MßGLICHEN Ausgangsstoff dafür nennt. => Diese Farbe wäre zu teuer => NIEMAND kann sie tragen. ßbergangen werden alle anderen Möglichkeiten blau zu färben, da es dazu keine Primärquellen aus jener Zeit gibt. Andersrum kann ich durch "Exotenfunde" als Primärquelle so ziemlich jeden Standard durchsetzen (Frauen mit Schwertern, keltische Helme bei den Wikingern,…). Egal was ihr tut, tut es kritisch und unvoreingenommen. Wenn ich etwas belegen will, dann muß ich nur "selektiv" Quellen auswerten und kann (fast) alles belegen (Vgl. Illig, etc.) Gruß,
Indy
Bewertung:
Eintrag #28 vom 16. Mai. 2000 16:15 Uhr
Beitrag anonymisiert
hallo Christoph ja du hast recht war mir entfallen und ist so in meine Primäre Wiedergabe einer Tatsache eingerutscht……..sowas ;-))) Natürlich war es Solon, verflixt welcher schreiber macht nicht mal einen Fehler. Hallo Patrik Platon ist nicht die Primärquelle auch nicht Solon sondern die Altägyptische Säule auf der die Geschichte von Altlantis stand, ist die derzeit bekannteste Quelle leider bisher verschollen! nochmal zu Christoph ja ich bezeichne auch Mündliche ßberlieferungen als Primärqelle den letztendlich wurde ja alles Mündliche irgendwann mal niedergeschrieben, um Fehlern vorzubeugen und das Wissen zu sichern! Allerdings muss ich erwähnen das Kulturen die keine Schrift besaßen selten die Geschichte abänderten sondern bis ins kleinst e auswendig lernten und zwar nicht nur einer sondern viele um den ßberlieferungsfehlern vorzubeugen! gruß Frank
Thorgrimm Firesbrunst (freier Wikinger)
Bewertung:
Eintrag #29 vom 16. Mai. 2000 16:56 Uhr
Axel Aue
Hi. Also, ein umfassendes Bild bekomme ich doch nur durch die Berücksichtigung aller (mir zugänglichen) Quellen. Also sowohl Primär- wie auch Sekundärquellen. Mittelalterliche Bilder sind nun mal keine "unbestechlichen" Fotos, die Schriften keine "objektiven" Berichte, und die Vorgeschichte dazu für uns häufig nicht mehr ohne weiteres greifbar… Obendrein sind diese Primärquellen meiner Meinung nach häufig auch "nur" Sekundärquellen, da oftmals von Vorgängen gesprochen wird, die nicht selbst erlebt wurden. Neuere Quellen sind oft auch nicht ohne Hintergedanken, eigene Sichtweisen oder "Fehlinformationen" entstanden. Vorsicht ist also bei beiden Geboten. Wie kann ich da das eine dem anderen Vorziehen ? Nach welchen Kriterien gewichte ich, wonach ich mich richten will ?
Axel
Bewertung:
Eintrag #30 vom 16. Mai. 2000 19:43 Uhr
Christoph Bitter
Hallo Axel! Mündliche ßberlieferungen sind deshalb für mich keine Primärquellen, weil sie nicht belegt werden können. Der mündlichen Erzählung ist nur von allererster Hand, also dem ersten Erzähler, völlig zu glauben. Kleines Beispiel: Hier in Bonn brannte ende der 80er ein Haus ab. Die Zeugen erzählten das weiter, einen Tag später war da schon ein Kind verbrannt und 2 Tage später schrieb die BILD, es wär eine 10 Köpfige Familie darin verbrannt! Versetzt man sich aber ins Altertum, und ein Platon (der bekanntermaßen versuchte, alles geschichtliche Bestmöglichst weiterzugeben)dies Aufschrieb, waren die Zeugen schon Jahrhunderte tot. Natürlich sind bei solchen ßberlieferungen des Altertums auch Fehler zu finden; aber da gabs immerhin keine BILD-Zeitung!!;o) Also, da die Zeugen schon tot waren, Säule und Salons Schriften nicht mehr existieren, kann man Platon als Primärquelle schon bezeichnen. Bei so alten Geschichten, zu der auch die Bibel gehört, kann man einfach nicht alles ernst nehmen; aber ein Funken Wahrheit ist noch immer zu finden. So ist z. B. in der Nibelungensage die Existenz Gunthers und Hagens bewiesen, während die Wissenschaftler bei dem Drachen annehmen, daß es sich hierbei um einen Leguan handelte (diese wiss. Abhandlung ist leider nicht mehr in meinem Besitz, also frag mich nicht nach den Quellen des Beweises). Am sichersten ist doch, wie mir alle zustimmen werden, eine vom Zeugen niedergeschriebene Aussage, wie die von dem Landsknechtshauptmanns Bunthfeder über den Kampf um Münster. Jedoch auch hier, bei der Niederschrift eines Zeugen, muß man vorsichtig sein. Pol. und rel. ßberzeugungen können das Bild erheblich beeinträchtigen. Und oft genug übertreibt der Zeuge auch gerne selbst, wodurch die Primärquelle schon nicht mehr so Glaubwürdig ist. Aber weis das der Schreiber der Sekundärquelle evtl. 100 Jahre später? Er muß zwangsläufig die Aussage des Zeugen als Wahr hinnehmen. Tja, und je nach eigener Entscheidung stellt er dann wieder entweder die bischhöflichen Landsknechte als lieb und tapfer, oder eben die Wiedertäufer so dar. Geht die Primärquelle aber verloren, bleibt nur noch die Sekundärquelle übrig, wodurch sie wiederum zur Primärquelle wird. Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #31 vom 17. Mai. 2000 17:56 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Christoph, Was die grundsätzliche Entwicklung und Verfälschung angeht, sind wir uns ja einig, aber in einem Punkt redest Du Unsinn: Eine Sekundärquelle wird nicht zur Primärquelle, wenn die echte Primärquelle wegfällt!!! Eine Kopie eines Kunstwerkes wird auch nicht zum Orginal, wenn das Orginal verlorengeht!!! Auch die älteste bekannte Quelle kann eben auch mal nur Sekundär sein. Ich würde, auch wenn sie plötzlich wieder auftaucht, nicht einmal die bewußte ßgyptische Säule unbedingt als Primärquelle sehen; schließlich wissen wir nicht, wer da wann die Geschichte von Atlantis dargestellt hat! Sie wäre allerdings Primärquelle in Bezug auf das alte ßgypten! Natürlich gibt es Kopien, die dem Orginal näherstehen und ähnlicher sind als andere, aber es bleiben doch Kopien… also dann…
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #32 vom 17. Mai. 2000 18:04 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Ach ja, noch was… MßNDLICHE ßBERLIEFERUNGEN sind auch mir sehr wichtig, aber trotz allen auswendiglernens innerhalb einer Kultur wissen wir nicht, welche Veränderungen sie durchgemacht haben, bis sie uns (über mehrere Nachfolgekulturen hinweg) erreicht haben. Spätestens die ersten, die sie doch mal aufschrieben, haben eigentlich IMMER Veränderungen eingebaut, die für sie (vielleicht) nur stilistischen Charakter hatten, dann nochmal stilistisch überarbeitet wurden usw, bis sich doch etwas ernsthaftes verändert hatte. zT haben diese Leute allerdings auch bewußt Inhalte verändert (zB die ersten Mönche, die Irische Sagen aufschrieben, welche immerhin noch heidnisch waren…zum Glück waren die in ihrer Zensur nicht allzu streng) Außerdem ist es nicht so sicher, ob wirklich die ganzen Geschichten wörtlich auswendig gelernt wurden.# Viele sind eher der Ansicht, daß die wesentlichen Punkte der Geschichte zwar feststanden, daß der jeweilige Erzähler jedoch die Einzelheiten (Aussehen der Personen, Zahl der Feinde, usw, sogar Namen!!!) beliebig abwandelte und seinen eigenen Erzählstil hatte. so, jetzt aber tschüß…
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #33 vom 17. Mai. 2000 18:17 Uhr
Beitrag anonymisiert
hallo Christoph wie du schon sagtest die Bibel kann man nicht ernstnehmen …. wobei ich dem nur teils zustimmen kann, die Bibel hat verdammt viele Wahrheiten die nur Religiös verklärt wurden im laufe der Jahrhunderte, außerdem kann man die Bibel nicht als Primärquelle heranziehen da sie nur eine zusammenstellung aus verschiedenen Schriften ist, die wesentlich älter sind und nochnichtmal Komplett und teils auch überhauptnicht in die Bibel eingegangen sind. gruß
Thorgrimm Firesbrunst (freier Wikinger)
Bewertung:
Eintrag #34 vom 17. Mai. 2000 19:25 Uhr
Axel Aue
Hallo Christoph. Hast du schon einmal mit Sekundärquellen zu tun gehabt ? Die von denen ich rede, glauben nicht so ohne weiteres die Aussagen der Primärquellen, sondern versuchen diese in Beziehung zu setzen zu anderen Primärquellen und betrachten die darin enthaltenen Aussagen sehr kritisch. Vielleicht müssen wir doch ersteinmal eine Definition der Begriffe vornehmen. Ausserden geht es nicht um ein "entweder/oder", sondern nur um das Gewicht, das man dem einen oder anderen zugesteht. Und um die Fähigkeit, diese Quellen zu interpretieren. Und da glaube ich einfach nicht, das die meißten von uns (mich eingeschlossen), die Befähigung dazu haben (Mein persönlicher Eindruck !!!). Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, ob er sich diese Befähigung zuerkennt. Daher finde ich die Aussage, Primärquellen mehr Gewicht zuzuerkennen, in einer öffentlichen Bekanntmachung ziemlich gefährlich.
Axel
Bewertung:
Eintrag #35 vom 17. Mai. 2000 19:41 Uhr
Thomas Schüttenberg
Gruß an Alle! Trotz der zahlreichen richtigen Feststellungen zu den Schwächen und Anfälligkeiten der hier sog. Primär- und Sekundärquellen, möchte ich doch euren Blick noch auf ein, zwei weitere Punkte im Zusammenhang mit archäologischer Forschung lenken: Zunächst bin ich mir nicht sicher, ob ihr durchweg einheitlich mit dem Wort "Quelle" verfahren seid. Oft scheint es lediglich mit textlichen Hinterlassenschaften gleichgesetzt worden zu sein. Daraus sind sicher einige der Misverständnisse und Abschweifungen entstanden, aber das sei jetzt relativ unbedeutend. Erstaunlich hingegen finde ich, daß bisher niemand den Ansatz hinter der (offensichtlich mehrheitlichen) Herangehensweise an diese Forschung kritisiert hat, bzw. das Paradigma unter dem diese Forschungen betrieben wurden/werden. Will sagen, als konsenzualer, grundsätzlicher Ausgangspunkt der Erforschung mittelalterlicher Lebensumstände etc. werden hier SHRIFTLICHE Quellen und deren fachgerechte Auswertung gesehen. (die zahlreichen möglichen Fehler- und Angriffspunkte jener sind ja in den zurückliegenden Einträgen deutlich geworden) Archäologische Funde wurden/werden dann in die aus den Textquellen gewonnenen Erkenntnisse und Vorstellungen EINGEPASST. Die Folge ist klar: zusätzlich mögliche Fehler allein aufgrund der verwendeten Strategie. Nach meiner Beobachtung setzt zum Glück eine zunehmende Umkehr dieses Paradigmas ein, gestützt durch die Erkenntnis daß archäologische Funde/Fundsituationen nicht gefälscht sein können. Zusätzlich entwickeln sich mit zunehmender Intensität geowissenschaftlich unterstützte Ansätze in der Archäologie, wie z.B.: Geoarchäologie, Archäometrie, Quartärforschung(-stratigraphie) usw., die helfen können weitere Lücken zu schließen oder Erkenntnisse zu revidieren. Folglich kann die Literatur (hier als Sekundärquelle bezeichnet) zu Altem widersprüchlich sein. Umfassendes & kritisches Quellen-/SekundärLiteraturstudium in unterschiedliche Richtungen ist also angesagt! Das heißt selbstverständlich nicht, das neue Literatur immer die richtigere/bessere ist! (-; Also dann, frisch an´s Werk und den ßberblick nicht verlieren,
ThomaS
Bewertung:
Eintrag #36 vom 17. Mai. 2000 20:36 Uhr
Christoph Bitter
Hallo Jens! Unsinn würd ich das nicht bezeichnen, denn zig Primärquellen existieren nicht mehr. Nehmen wir mal an, im Altertum schreibt jemand etwas nieder. 100 Jahre später kopiert ein Anderer die Primärquelle weitestgehend, versäumt aber, diese Anzugeben. Großer Brand in der Bibliothek von Alexandria und die Primärquelle ist weg und ab diesem Zeitpunkt keinem mehr bekannt. Sie existiert nur noch in der Kopie. Somit wird die Sekundärquelle Primärquelle. Unsinn? Ich hoffe, daß ich meinen Gedankengang diesmal verständlicher ausgedrückt habe. Gruß v. Arlen
Bewertung:
Eintrag #37 vom 18. Mai. 2000 00:07 Uhr
Jens Neumann
Bitte einloggen, um Jens Neumann eine Nachricht zu schreiben.
Ja, Christoph; In diesem Beispiel kann tatsächlich AUSNAHMSWEISE die dem Orginal am nächsten Stehende Kopie die FUNKTION, die eigentlich der Primärquelle zustünde, ersatzweise übernehmen, aber dennoch wird sie selbst dadurch keine Primärquelle. Uns, die wir nicht wissen, daß es ein älteres Exemplar gab, wird sie allerdings (fehlinterpretiert) als Primärquelle erscheinen…aber jetzt arten wir in Haarspaltereien aus, ich geb´s ja zu… In deinem vorherigen Beitrag erschien es jedoch so, als wolltesst Du einfach immer die älteste erreichbare Quelle als primär ansehen, was natürlich mindestens dann, wenn die (meist ehemalige) Existenz einer älteren Quelle bekannt ist, ein Fehler wäre. Aber nach dieser klarstellung betrachte ich den Punkt als aus der Welt. Thomas´ Beitrag übrigens enthält wichtige Punkte, die ich bisher zu erwähnen versäumt habe: Das wesentliche Gewicht der archäologischen Funde und deren Auswertung…wie schon gesagt, ich bin immer froh, wenn ich die Fakten sortiert und aufbereitet präsentiert bekomme, bevor ich ans Schlußfolgern gehe…ist eine Saumäßige Arbeit!!!
der Barde vom Glan
Bewertung:
Eintrag #38 vom 22. Jul. 2000 23:15 Uhr
Roman Luplow
Bitte einloggen, um Roman Luplow eine Nachricht zu schreiben.
Wer schon einmal ernsthaft historisch geforscht hat, wird mir beipflichten: Ohne Sekundaerquelle kommt man an die Primaerquelle nicht oder nur sehr schwer heran. Die meisten Fehldeutungen in Sekundaerquellen (und diese schmaelern eben ihren Quellenwert) lassen sich nur unter Zuhilfenahme der originalen Schriftstuecke korrigieren, ohne diese Fehldeutungen aber waere eine Weiterentwicklung der erforschten Bestaende gar nicht moeglich! Also sollte man die unsinnige Diskussion ueber die Werte sekundaerer und anderer spaeterer Quellen lassen. Auch eine tertiaere Quelle (z.B. bibliographische Zusammenfassung von Vorarbeiten) ist wertvoll, da sie uns erst das Handwerkszeug fuer die Suche im Archiv in die Hand gibt. MfG Roman Luplow
Bewertung:
Eintrag #39 vom 31. Mai. 2001 12:57 Uhr
Stephan Zöllner
Hallo Alle, ich finde diese Diskusion wenigstens zeitweise sehr amüsant. Andererseits erschreckt mich aber die fehlende Systematik in mehr oder minder ALLEN Foren! Wissenschaftliche Forschung zu betreiben (das versuchen auch viele Hobby-Historiker) bedeutet grundsätzlich mit Methoden (grichisch: met hodos = mit Weg) zu arbeiten, die dem Forschungsgegenstand angemessen sind. Im Rahmen der Gaschichtsforschung bedeutet das auf jeden Fall IMMER sowohl die neusten Forschungsergebnisse als auch die ältesten Quellen (egal ob primär, indirekt primär, sekundär … egal ob archäologisches Artefakt oder Schriftstück) zu suchen und miteinander in Beziehung zu setzen. Das ist verdammt viel Arbeit und kostet Zeit, aber ich bin der Meinung, daß manche Historiker (auch Namhafte) genauso angefangen haben wir wir: 1. Es ist ein Interesse entstanden (egal aus welchem Grund) 2. Es wurden verfügbare Informationen/Quellen gesichtet (niemals alle!) TIP: immer mit LEXIKON und Bibliographien oder Biblothekaren anfangen! 3. Es wurde entschieden, gewertet und gewichtet; dabei geht der komplette nichtreflektierte Hintergrund des Forschers unbewußt mit ein ( ! ACHTUNG das ist UNVERMEIDBAR ! in jedem kreativen Prozeß) 4. Es wurden Hypothesen aufgestellt 5. Die Hypothesen werden mit neuen Fakten / Quellen in Beziehung gesetzt 6. Bei entstehenden Widersprüchen werden entweder einige Quellen in einem anderen Licht neu bewertet oder die Hypothese wird modifiziert oder verfeinert - im schlimmsten Fall verworfen So funktioniert WISSENSCHAFTLICHES ARBEITEN. Das kann prinzipiell JEDER und die Ergebnisse sind eigentlich immer brauchbar (Intention berücksichtigen), vor allem dann wenn wir uns einem TEAM von Freunden und Kritikern zu stellen bereit sind. Außerdem ist Forschung durchaus auch als kreativer Akt zu verstehen und es müssen sich nicht alle einig sein, ohne daß das wissenschaftlich gesehen ein schwerwiegendes Problem wäre. Menschlich ist das nicht immer so leicht wegzustecken wenn ich mit viel Mühe etwas erarbeitet habe und plötzlich kommt einer und wischt meine Hypothese mit einer Gegenhypothese vom Tisch oder liefert einfach Fakten, die mir nicht bekannt waren und die meine Gedanken als eher vage Spekulation enttarnen. Aber selbst dieser menschliche Konflikt ist in ALLEN wissenschaften und auf allen Ebenen allgegenwärtig. Auch die besten Wissenschaftler kochen nur mit Wasser und bleiben (allzu) menschlich. Die zentrale Frage ist meiner Meinung nach ganz einfach: Traue ich mir zu das was ich angefangen habe auch zuende zu denken. Wo erkenne ich meine eigenen Grenzen (in meiner intelektuellen Fähigkeit, die ich tainieren kann, oder in meinem Wissen, das ich durch Bücher und Teamarbeit erweitern kann, oder in der notwendigen Begrenzung des Aufwandes und der Zeit)? Welchen Grad der Wissenschaftlichkeit oder Perfektion will ich ereichen? Wenn ich meine Prämissen und Ziele vor anderen offenlege und bereit bin Voraussetzungen und Ergebnisse zu diskutieren brauche ich mich nicht zu verstecken, denn dann BIN ich Wissenschaftler (ohne Titel - na und ;-)) in diesem Sinn frohes Forschen, krittische Freunde und konstruktive Kritiker
Domprobst Heinrich v. Spohnheim (Tempora Nostra)
Bewertung:
Eintrag #40 vom 01. Jun. 2001 23:29 Uhr
Stephan Zöllner
Nachtrag zum allgemeinen "wissenschaftlichen Arbeiten" Besorgt Euch doch einfach mal ein kleines Buch: Poenike, Klaus (Hrsg.): "Wie verfaßt man wissenschaftliche Arbeiten? Ein Leitfaden vom ersten Studiensemester bis zur Promotion", Duden, Mannheim 1988 In der Einleitung wird kurz aber klar darauf eingegangen, daß durch die "Wissensexposion" eine erschöpfende Spezialisierung heute genausowenig möglich ist wie eine umfassende Breitenbildung. Daß genau aus diesem Grund das systematische Arbeiten und auswählen der RELEVANTEN Quellen entscheidend für die Qualität und Aussagekraft einer Arbeit ist. maranatha Stephan ps das Buch kostet nichteinmal 14,- DM; allerdings kann man die Abschnitte über EDV praktisch vergessen - zu alt - ich werde mal beim Duden anfragen ob sie Interesse an einer überarbeitung dieser Abschnitte haben … ;-))
Domprobst Heinrich v. Spohnheim (Tempora Nostra)
Bewertung:
Eintrag #41 vom 30. Aug. 2001 14:39 Uhr
Anna Rink
Fuer alle als Einstieg zu empfehlen:
Online-Tutorium zur Arbeitsweise in der Mittelalterlichen Geschichte (Uni)
ist witzige gemacht und hilft weiter
Bewertung:
Eintrag #42 vom 11. Jan. 2002 19:55 Uhr
Nikolaj Thon
Bitte einloggen, um Nikolaj Thon eine Nachricht zu schreiben.
Als Warnung bei zuviel bzw. zu raschem Zutrauen bei der Benutzung von "Primärquellen" mag auch diese heutige dpa-Meldung interessant sein:
Mönche als Urkundenfälscher entlarvt
Bonn (dpa) - Skrupellose Mönche fälschten im Mittelalter Urkunden und erschwindelten sich damit Sonderrechte und Besitztümer. Die meisten Fälschungen seien im 12. und 13. Jahrhundert angefertigt worden und sollten so aussehen als stammten sie aus der Zeit der Merowinger (5. bis 7. Jahrhundert), fand Professor Theo Kölzer von der Universität Bonn heraus. «Wenn in einem Kloster für ein beanspruchtes Recht keine Urkunde existierte, griffen die Betroffenen eben selbst zu Federkiel und Pergament.»
In seiner 20-jährigen Detektivarbeit hat der Forscher nach eigenen Angaben fast 200 Texte untersucht und 30 Urkunden als Fälschungen enttarnt. In den Urkunden gehe es meist um Besitzschenkungen, Sonderrechte oder dem Kloster verliehene Rechtstitel, sagt der Geschichtsprofessor.
Das Forschungsergebnis werfe ein neues Licht auf die Geschichte Mitteleuropas nach dem Untergang des römischen Weltreiches, sagt Kölzer. So entdeckte er, dass die älteste echte Königsurkunde des Abendlandes aus dem Jahr 628 stammt. Mit Hilfe dieser Urkunde könne nun erstmals wissenschaftlich bewiesen werden, dass die Antike nördlich der Loire erst um 600 zu Ende gegangen sei. Viele Wissenschaftler hätten bisher den Untergang des römischen Altertums schon mit der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert verbunden.
Um eine Fälschung «merowingisch» aussehen zu lassen, verwendeten Mönche des Klosters St. Denis bei Paris eine für sie wertlose echte Urkunde eines Königs der Merowinger. Die fehlende Wertschätzung für alte Dokumente erwies sich für den Historiker als Glücksfall. Dadurch stieß Kölzer auf die originale Königsurkunde, die so wichtig für seine Forschungen werden sollte.
«Als die fränkischen Merowinger lange vor Karl dem Großen die ehemals römischen Gebiete Frankreichs und Deutschlands in Besitz nahmen, führten sie die ausgeprägte römische Verwaltungsstruktur aber zuerst fort», erklärt Kölzer. Nur mit Hilfe des römischen Behördenapparates hätten die Franken ihr riesiges Reich verwalten können. Dann aber sei ein Wandel eingetreten. Titel und Privilegien seien von da an auf Urkunden aufgezeichnet worden und hätten von den Begünstigten selbst aufbewahrt werden müssen.
«Die Pariser Mönche klebten Papyrus-Stücke der echten Königsurkunde aufeinander und nahmen die Rückseite für ihre Fälschung», erläutert Kölzer. In der Neuzeit seien die Papyrusstücke getrennt worden, Schriftspuren der zugeklebten Original-Urkunde seien aber an beiden Seiten haften geblieben. Die Urkundenhälften gingen getrennte Wege.
Vor zwei Jahren untersuchte der Wissenschaftler eine Hälfte der Urkunde, auf der große Teile der Schrift fehlten. Etwa zur gleichen Zeit entdeckte ein französischer Historiker auf einem Dokument Schriftzeichen, die er für merowingisch hielt. Er schickte eine Durchpause an seinen Kollegen vom Historischen Seminar in Bonn. Kölzer erkannte schnell, dass die spiegelverkehrten Schriftzeichen des Fragments aus Frankreich die Lücken seiner Urkunde füllten. Einem Fotografen gelang es schließlich, das Dokument am Computer virtuell zu rekonstruieren. «So ist uns durch eine Fälschung also die älteste originale Urkunde erhalten geblieben.»
Nicht immer hätten sich die Mönche bei ihren Fälschungen so viel Mühe gegeben. So hätten sie oft ein anderes Vokabular oder gotische Buchstaben verwendet, die während der Merowinger-Zeit noch gar nicht bekannt gewesen seien, erklärt Kölzer. Manchmal seien schon einfache historische Fakten entlarvend. Eine Besitzerurkunde aus einem Trierer Kloster nenne König Dagobert I. als Aussteller und das Jahr 646. Der angebliche Förderer sei damals aber schon seit sieben Jahren tot gewesen.
Fast zwei Drittel aller angeblichen Urkunden aus der Merowinger-Zeit seien nicht echt. Die Forschungsergebnisse spielten auch für die Geschichte des jeweiligen Klosters eine große Rolle, sagt Kölzer. Die gefälschten Urkunden müssten nun als mittelalterliche und nicht merowingische Dokumente neu interpretiert werden. «Sehr viele Mosaiksteine der mittelalterlichen Kirchengeschichte müssen an neue Plätze gerückt werden.»
© dpa - Meldung vom 11.01.2002
Wobei m.E. anzufügen wäre, dass Begriffe wie "Fälschung" und "skupellos" doch sehr vom heutigen Standpunkt aus gedacht sind: Verschiedene Aussagen ma-licher Autoren zeigen, dass man damals (aber auch schon in der Antike) einen anderen Begriff von Fälschung hatte, will sagen: Ein (als richtig betrachteter, aber "leider" eben durch keine entsprechende Urkunde belegter) tatsächlicher Sachstand musste dann eben durch eine entsprechend "nachfabrizierte" Urkunde ausgewiesen werden. Anders gesagt: Es sollte sehr wohl belegt werden, was da war … In diesem Sinne werden ja auch schon antike Werke, die im Stil (in etwa) einem alten Autor entsprechen, ohne weiteres mit dessen Namen versehen.
Beste Grüße Nikolaj
Bewertung:
Eintrag #43 vom 14. Jan. 2002 09:31 Uhr
Joachim Meinicke
Bitte einloggen, um Joachim Meinicke eine Nachricht zu schreiben.
So richtig neu ist die Erkenntnis nun aber nicht. Wobei mich die Menge der Fälschungen nun doch etwas überraschte. Auch hier gilt wohl wieder der Grundsatz, daß man durch einen einzigen Beleg noch nicht unbedingt weitergekommen ist. Vielmehr muß man diesen mit anderen vergleichen. Was für uns Laien aber sehr, sehr schwierig, wenn nicht unmöglich ist.
Es gibt z.B. Gruppen, die lassen Ausrüstungsgegenstände nur zu, wenn mehrere unabhängige Belege davon existieren.
Grüße
Joachim
Bewertung:
Eintrag #44 vom 14. Jan. 2002 10:51 Uhr
Ranes Haduwolff
Bitte einloggen, um Ranes Haduwolff eine Nachricht zu schreiben.
Grüß Euch,
ja, das mit den Fälschungen ist schon eine spannende Sache, ein Forschungsgebiet für sich.
Bei der ßbernahme von Quellenerkenntnissen stellt sich immer die Frage, um was es sich handelt grade bei der Sachkultur.
Z.B. ist bis heute umstritten, ob die allenthalben abgebildeten Helmkronen eine symbolische oder reale Abbildung sind.
Wenn allerdings neue Erkenntnisse sichtbar werden, oder zeitlich nicht einordbare Gegenstände auftauchen, so denke ich, daß eine Verwendung in unserer Darstellung durchaus möglich ist - wenns ins gesellschaftliche Umfeld passt.
Ein nettes Beispiel:
Im St. Blasien-Pslater (Mitter 13. Jhdt.) ist ein Ritter abgebildet, der hinen geschnürte Kettenbeinlinge trägt. Ein wenig altmodisch, aber ein eindeutiger Beleg…
Oder:
Im Cod.vat.lat. 39 (ca. 1240) nimmt sich Jesus eine Auszeit…
Unser Herr sitzt an einem kleinen, runden Bistrotischchen auf seinen Stuhl zurückgelehnt, und geniesst den in einem gläsernen Weindechanter servierten Rotwein aus einem einfachen Glas, dazu Brot und die gerade von der Kellnerin gebrachten Leckereien…fehlt eigentlich nur die Packung Gauloises und der Pastis…
Aber: Runder kleiner Tisch, Weindechanter…ein eindeutiger Beleg…ebenso wie die in dieser Zeit eigentlich längst vergessenen breiten Oberarmborten und Tütenärmel…in Italien allerdings!
Euer Haduwolff
Bewertung:
Eintrag #45 vom 20. Jun. 2003 15:01 Uhr
Thomas Wiedemeier
Bitte einloggen, um Thomas Wiedemeier eine Nachricht zu schreiben.
Hallo,
was ich immer schon mal fragen wollte:
In der Kreuzfahrerbibel sind mir arabische
Schriften aufgefallen, die scheinbar wie
Notizen auf den Rändern etlicher Seiten
zu sehen sind.
Weis jamand, was das ist?
Thomas Wiedemeier ( Hofmusikant zu Rügen)
Bewertung:
Eintrag #46 vom 20. Jun. 2003 16:00 Uhr
Nikolaj Thon
Bitte einloggen, um Nikolaj Thon eine Nachricht zu schreiben.
… und nicht arabisch sind die hier angesprochenen Textteile.
Sie sind übrigens genauso eine spätere Zufügung wie jeder andere Text in der Bilderbibel König Ludwigs des Heiligen, die ja auch - m.E. nicht ganz so glücklich - als "Kreuzfahrerbibel" oder nach dem späteren Besitzer Kardinal Bernhard Maciejowski benannt wird, denn als der Codex um 1250 in einem Pariser Atelier entstand, war er nach dem heutigen Forschungsstand völlig textfrei und bestand nur aus Bildtafeln. Den Genuss des Betrachters sollten offensichtlich keine Texte stören.
Erst um 1300 fügte man auf den freien Rändern lateinische Texte hinzu, die das Bildgeschehen kurz zusammenfassen. Das geschah vermutlich in Neapel im Auftrag Karls von Anjou, eines Verwandten Ludwigs.
Dann verschwindet der Codex im Dunkel der Geschichte, um erst 300 Jahre später wieder aufzutauchen: im Besitz des Kardinals Bernhard Maciejowski, des Bischofs von Krakau. Dieser gab das Prachtwerk im Jahre 1604 einer Abordnung als Geschenk mit, die der Papst an den persischen Schah Abbas sandte, um über ein gemeinsames Vorgehen gegen die siegreichen Türken zu verhandeln.
Der Schah hatte offenbar großes Interesse an den Miniaturen, denn er ließ Bilderläuterungen in persischer Sprache hinzufügen; auch ließ er drei Blätter, die, heute in Paris und Malibu, alle Stürme der Zeit überstanden haben, entfernen. Auf diesen Blättern war nämlich der Aufstand Absaloms gegen seinen Vater geschildert - offensichtlich hielt der Schah solch antikönigliche Lektüre für seine Söhne als ungeeignet. Weiß man doch, dass er diese, aus Angst, sie wären beim Volk zu beliebt, blenden und töten ließ.
Diese von Schah Abbas bzw. auf seine Anordnung beigefügten Erläuterungen sind es, um die die Anfrage geht. Sie sind also nicht Arabisch, sondern Persisch (wobei natürlich - im wesentlichen - die gleiche Schrift verwandt wird).
Das weitere Schicksal der Handschrift ist nicht genau bekannt. Aber es kam noch zu weiteren Textbeigaben, wohl im 17. Jahrhundert, als man den persischen Text ins Hebräische übersetzt hat.
Erst wieder im 19. Jahrhundert sind die weiteren Besitzer bekannt: von einem Griechen namens Joannes Athanasiou ersteigerte Sir Thomas Philipps das Manuskript, von dessen Erben es John Pierpont Morgan 1916 erworben hat.
Gruß Nikolaj
Bewertung:
|